Veröffentlicht am 24.10.11

„Bericht zur Lage der Bibliotheken 2011“

„20.10.2011. Heute wurde in einer Pressekonferenz in Göttingen der zweite „Bericht zur Lage der Bibliotheken“ vorgestellt. Mittelkürzungen in der Hälfte aller Bibliotheken stehen dabei steigenden Anforderungen gegenüber. Die Hälfte aller Hochschulbibliotheken müssen jetzt oder in den nächsten Monaten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung hinnehmen; das trifft auch auf die öffentlichen Bibliotheken zu. Es gibt keine Entwarnung: Die aktuelle Situation der kommunalen Bibliotheken hat sich gegenüber dem Vorjahr kaum verbessert, der allgemeine positive Trend schlägt sich nicht ausreichend nieder. Während die Hochschulen über alle Erwartungen hinaus von mehr als 500.000 Studienanfängern (Vorjahr: 445.000) überrannt werden, berichten 41% aller befragten Einrichtungen über bereits erfolgte oder fest geplante Kürzungen der Zuweisungen.

Der „Bericht zur Lage der Bibliotheken“ klärt aber nicht nur über die erschreckende Situation an Hochschulbibliotheken und die unbefriedigende finanzielle Entwicklung bei den kommunalen Bibliotheken seit der ersten bundesweiten Erhebung im letzten Jahr auf. Erstmals fokussiert eine Landkarte die Gemeinden Deutschlands mit über 5.000 Einwohnern, die keine hauptamtlich geleitete Bibliothek besitzen.

Die Zahl der bisher digitalisierten Bestände in den wissenschaftlichen Bibliotheken verdeutlicht die dringend notwendige Aufstockung der Finanzmittel für die Digitalisierung. Der dbv fordert, dass in den Jahren 2012 bis 2016 ein zusätzlicher Betrag von 10 Mio. Euro aus Bundesmitteln zur Verfügung gestellt wird, um jährlich weitere 200.000 Titel zu digitalisieren. Die neuen 24/7 Angebote von e-books und anderen Download-Medien in ca. 300 besonders innovativen öffentlichen Bibliotheken zeigen, dass auch hier eine flächendeckende digitale Perspektive benötigt wird, damit das System des freien Zugangs zu Informationen in allen Medienformaten nicht in Frage gestellt wird.

Der Ausbau von speziellen Bibliotheksangeboten für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche und die Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz gewinnen im Kontext der notwendigen Förderung von Lesefähigkeit besondere Bedeutung. Angesichts der im Koalitionsvertrag postulierten „Bildungsrepublik Deutschland“ fordert der Deutsche Bibliotheksverband alle Politiker auf, sich weiteren Kürzungen im Bibliotheksbereich entschieden zu verweigern. Stattdessen soll durch Bibliotheksgesetze in den Bundesländern, durch Bibliotheksentwicklungspläne und durch die konsequente Förderung von Kooperationen mit anderen Bildungseinrichtungen das Bibliotheksangebot in den Städten und Gemeinden gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen mit Nachdruck gestärkt werden.“ (Quelle: Bericht zur Lage der Bibliotheken 2011)

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Kommentar MP

Die beschönigenden Reden und Versprechungen von der „Bildungsrepublik Deutschland“ sind das eine. Das andere ist die Realität der Unterfinanzierung  öffentlicher, d.h. demokratisch kontrollierter Bildungseinrichtungen und ihr schleichender Ersatz durch private , d.h. demokratisch unkontrollierte Marktmächte. Diese Realität manifestiert sich nicht nur in den im europäischen Vergleich seit Jahren unterdurchschnittlichen Bildungsausgaben in Deutschland und komplementär dazu in der wüsten Ausbeutung öffentlich finanzierter Wissenschaft durch private Großverlage, sie zeigt sich jetzt auch in den realen und geplanten finanziellen Kürzungsmaßnahmen bei öffentlichen Bibliotheken. Die Schändlichkeit dieser Kürzungen wird noch größer, wenn man in dem Bericht des deutschen Bibliothekenverbandes liest, daß der Bedarf an Lektüre und damit auch die Inanspruchnahme der Bibliotheken ständig wachsen. Nach Monika Ziller, der Vorsitzenden des Verbandes, sind die Entleihungen in hauptamtlich geleiteten, öffentlichen Bibliotheken im vergangenen Jahrzehnt um 22 Prozent auf 341 Millionen gestiegen, in den wissenschaftlichen Bibliotheken sogar um 47 Prozent auf 96 Millionen. Die Kürzungen bestätigen nun den Verdacht, daß der Wunsch der Bürger nach Wissen, Erkenntnis und Teilhabe durch die herrschende Politik nicht unterstützt wird. Das gefährdet nicht nur das Bildungsniveau in unserem Gemeinwesen, das gefährdet auch unsere Demokratie.