Veröffentlicht am 11.01.13

U-Multirank – und täglich grüßt der Bertelsmann

Ein großes Mysterium der aktuellen Bildungsreformen besteht in dem bemerkenswerten Phänomen, dass allen bestehenden Modellen und Strukturen schon als Bestehenden die Legitimation entzogen zu sein scheint. Natürlich war früher auch nicht alles Gold, was glänzte, doch es nimmt schon Wunder, dass auch bewährte und theoretisch wohlbegründete Konzepte allein aufgrund ihrer Herkunft aus der humanistisch-aufklärerischen Bildungstradition der Politik suspekt erscheinen. Die im Namen von PISA und Bologna etablierten Programme ökonomistisch-technokratischer Menschenzurichtung dagegen, haben alle eines gemeinsam: Sie sind weder einem breiten wissenschaftlichen Diskurs zugeführt worden, noch könnten sie erfolgreiche Vorerfahrungen aus der Praxis für sich verbuchen. Das Gegenteil ist der Fall: substantielle wissenschaftliche Kritik wurde weitgehend ignoriert oder als rückwärtsgewandt diffamiert, und die Reformvorbilder aus den Vereinigten Staaten zeigen in ihrem praktischen Scheitern ein desaströses Bild (Vgl. Ravitch, 2011).

So ist es bloß ein déjà-vue, wenn nun die EU verkündet, dass über das Programm U-Multirank das Bertelsmann-Hochschulranking (CHE – Centrum für Hochschulentwicklung) auf europaweit 500 Hochschulen ausgedehnt werden soll. (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-1373_de.htm) In der Kritik der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der sich nicht zuletzt auch die DGfE angeschlossen hat, wurde nachdrücklich auf die fachlichen und handwerklichen Mängel des Rankings hingewiesen. (http://www.soziologie.de/index.php?id=che) Dass die EU sich nun trotzdem für das Ranking entschieden hat, zeigt, dass es nicht um die Sache der Wissenschaft oder Bildung geht, sondern um Fragen der Macht, denn das Ranking ist kein Erkenntnis- sondern ein Herrschaftsinstrument. Akademische Wirklichkeit soll nicht erfasst, sondern normiert und transformiert werden. Wer die Hoheit über die Kriterien hat, gestaltet die Hochschulen der Zukunft. Diese Weichenstellungen unter Ausschluss der demokratischen Öffentlichkeit und der Fachexpertise der betroffenen Wissenschaftler in die Hände einer privaten Stiftung zu legen, ist ein weiteres Skandalon in einer langen Reihe (CHE diktiert der Landesregierung in NRW das Hochschulfreiheitsgesetz, die Bertelsmann Stiftung übernimmt im Auftrag des Landes die Lehrerfortbildung usf.). Man kann nur hoffen, dass der Versuch der akademischen Gleichschaltung zurückgewiesen wird, bevor die kulturelle – und auch die ökonomische – Kraft der europäischen Bildungstraditionen nachhaltig geschwächt wird.