Veröffentlicht am 30.08.13

Expertendämmerung

Der unlängst vorgebrachte Vorschlag, reformunwillige Professoren an den Hochschulen durch Experten zu ersetzen, ist eine Drohung, die sich auf ein langes Ressentiment gegen die Nachdenklichkeit und die Suche nach Erkenntnis stützen kann. Geht es Wissenschaftlern doch häufig genug wie dem armen Thales, der – die Sterne im Blick –  unter dem Gespött der thrakischen Magd in den Brunnen stolperte. Ähnlich unbeholfen erscheinen Kollegen in Talkshows, wo sie um Genauigkeit und Differenzierung bemüht, mitunter üble Bruchlandungen in Fettnäpfchen erleiden. Anders dagegen die Experten: Sie tragen Cowboy-Stiefel oder einen angegrauten Menschenversteherbart, so dass Kameras, Mikrophone und Bildungslobbyisten sie einfach liebhaben müssen, wenn sie befreit von akademischen Skrupeln Revolutionen, Hirndünger oder das Gelingen predigen. Dem Wissenschaftler bleibt dann nur noch die Rolle des gekränkten Spielverderbers, wenn er auf Qualifikationen, Belegen und Begründungszusammenhängen besteht. Und insgeheim ahnt er, dass er im Licht der Öffentlichkeit dasteht, wie einst der hässliche Sokrates in der Polis – chancenlos in allen Wettspielen um Größe und Schönheit, so dass er – wie Nietzsche im vorwirft – mit der Wahrheit eine neue Disziplin erfinden musste.

Doch ist es wirklich gekränkte Eitelkeit, wenn sich Wissenschaftler zunehmend auch in den öffentlichen Diskurs einschalten, um hanebüchende Äußerungen von gefeierten Experten einer wissenschaftlichen Prüfung zuzuführen? Tatsächlich gewinnen die einschlägigen Experten erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung und politische Entscheidungsträger, da gehört es sicher zur staatsbürgerlichen Verantwortung des Wissenschaftlers, dafür zu sorgen, dass Diskussion sachgerecht geführt und Entscheidungen besonnen getroffen werden. Dazu ist er nicht durch ein telegenes Auftreten qualifiziert, sondern durch den diskursiven Raum und die Begründungszusammenhänge seines Faches, den Prüfhorizont der Intersubjektivität, das methodische Vorgehen und die methodologischen Reflexionen. Was die Medienöffentlichkeit vielleicht als Angriff ad personam, mithin als Majestätsbeleidigung auffasst, ist im Kontext der Wissenschaft ein übliches, ja sogar erwünschtes Procedere: Das Ernstnehmen von Äußerungen, die man eben nicht als schlichte Behauptung stehenlässt oder verwirft, sondern einer sachlichen Prüfung im disziplinären Zusammenhang zuführt. Dazu gehört auch das Entlarven von Scharlatanen, die den Nimbus des Akademischen zum Ausweis ihrer Autorität in Anspruch nehmen, um dann um so leichter auf empirische Belege oder systematische Begründungen verzichten zu können. Schlicht gesagt: Nicht der Professorenmund macht aus Geräuschen Wahrheit, sondern der Wahrheitsanspruch aus Stammlern Professoren!
Insofern ist es nur zu unterstützen, wenn nach plagiierenden Politikern nun die Bildungsexperten einer genauen Prüfung unterzogen werden.

Siehe dazu aktuell in der ZEIT:
Martin Spiewak: Die Stunde der Propheten
Bestsellerautoren verkünden die Schulrevolution, allen voran der „Hirnforscher“ Gerald Hüther. Mit Wissenschaft hat das alles nicht viel zu tun.