Veröffentlicht am 25.06.13

Eine Chemotherapie für die Schule?

Zu Richard David Prechts neuem Buch ‘Anna, die Schule und der liebe Gott’, Rezension von Mathias Brodkorb in: Profil, Heft 6/2013

Precht heizt den Konflikt zwischen Eltern und Lehrkräften weiter an, indem er den Eltern rät, ‘aufzubegehren’, wenn es ihnen in der Schule nicht spaßig genug für ihre Kinder zuzugehen scheint. Für den Verkaufserfolg seines Buches mag das hervorragend sein, für das Verhältnis von Lehrkräften und Eltern ist es verheerend.

Precht hat derzeit ohne Zweifel einen richtigen Lauf: Nach seinen ersten Erfolgsbüchern ‘Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?’ und über seine Familiengeschichte folgten in wenigen Jahren drei weitere über Liebe, Egoismus und Allerwelts-Ontologie. Seit September 2012 ist Precht mit seiner Sendung ‘Precht’ auch noch ganz offiziell Deutschlands öffentlichrechtlicher Fernsehphilosoph. Beste mediale Ausgangsbedingungen also, um den nächsten publizistischen Knaller zu platzieren. Irgendwie kann man das ja auch verstehen: Ruhm ist schließlich vergänglich. Da will die kurze Zeit möglichst effektiv genutzt sein. Also folgte im April 2013 mit ‘Anna, die Schule und der liebe Gott’ Prechts sechster ‘Knüller’.
Das Dumme daran – wenn ein Autor sein Publikum in kurzen Zyklen mit umfangreichen Texten überschüttet – ist nur, dass zur Aufrechterhaltung des Wahrnehmungspegels eine Eskalation der in den Büchern vertretenen Thesen unvermeidbar
ist. So sind sie eben, die Regeln der Mediendemokratie. Für Precht ist das aber augenscheinlich kein Problem. Wer wissen will, was er über Deutschlands öffentliche Schulen denkt, muss das Buch dabei nicht einmal lesen. Es reicht völlig hin, einen Blick auf die Titelgrafik zu werfen: Gezeigt wird ein verschüchtertes Mädchen an einer Schultafel, das – offenbar als Strafaufgabe – immer wieder den Satz »Ich darf nicht denken« notieren muss. Das ist es also, was unsere Lehrerlein den armen Schülerlein tagtäglich eintrichtern!? Da ist wirklich Fremdschämen angesagt. Entweder dafür, dass Precht wirklich so einfältig denkt oder dafür, dass er dem Verlag nicht in den Arm gefallen ist.

Der ganze Beitrag als PDF: Brodkorb: Eine Chemotherapie für die Schule?