Veröffentlicht am 04.04.13

Akademisierungswahn: OECD-Quoten führen zu Bildungsabbau

Erneut kommen nun in wirtschaftsnahen Zeitschriften Stimmen, die den Bildungsabbau durch Nivellierung der Abschlüsse scharf kritisieren: Wenn alle ein Billig-Abitur haben, wem hilft das? Soll das die Bildungsgerechtigkeit sein, die uns Bildungsökonomen versprechen?

Die Quelle des in der Wirtschaftswoche kritisierten „Akademisierungswahns“ [Artikel] lässt sich klar benennen: Es sind OECD und EU, die entsprechende Vorgaben setzen und denen die Politik ohne Rücksicht auf Verluste nachrennt.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Dieser Bildungsabbau durch Pseudo-Abschlüsse wird von Landesregierungen aller Couleur verfolgt. Auch in rot-grünen Ministerien hört man, dass die die Quotenvorgaben der OECD „nicht diskutierbar“ seien. Das sei „Politik unseres Hauses“. Die grüne Schulministerin in NRW leitet sogar ihr Vorwort zu den neuen Kernlehrplänen mit einem OECD-Zitat ein. Früher waren hier Verfassungsartikel als Präambel üblich.

Es kompliziert manche Diskussion, dass man diese OECD-Politik oberflächlich betrachtet mit dem alten und berechtigten sozialdemokratischen Anliegen nach mehr Chancengleichheit im Bildungswesen verwechseln könnte. Doch wovon einst viele Kinder bildungsferner Schichten profitierten, wird inzwischen für das Gegenteil missbraucht: Nicht mehr Bildung für alle, sondern für alle weniger – nur für eine schmale Elite die Extraportion. Gerechtigkeit durch weniger Bildung für (fast) alle? Das hat mit einem kritisch-emanzipativem Verständnis von Aufklärung und Teilhabe durch Bildung nichts tun: Abbau von Bildung ist nicht gerecht, sondern eine Kampfansage an Demokratie, Kultur – und eben auch die Wirtschaft.

Insofern sind die Stimmen aus der Wirtschaft zu begrüßen: Angesichts der großen Koalition der Bildungsabbauer bedarf es ebenso einer großen Koalition der an Bildung und Wissen Interessierten.

Ist dieses Problem gelöst, kann man immer noch trefflich über Schulstrukturen und pädagogische Detailfragen streiten. Denn liegt das Bildungswesen erst in Schutt und Asche, erübrigen sich auch diese langjährigen Kernfragen der bildungspolitischen Debatte. Allerdings in einer Weise, die ganze Generationen von jungen Menschen opfert.