Veröffentlicht am 28.04.12

„Nullnummer statt Turbo-Abschluss: der Bachelor“

„In sechs Semestern zum Turbo-Abschluss und ab in den Job – das war die Idee der Bologna- Reform. Heute, 13 Jahre nach Bologna, zeigt sich: An den Unis wurde nichts besser, aber vieles schlechter: Bulimie-Lernen, Credit-Points, Workload – so sieht das Bachelor-Studium 2012 aus! Verschulte Studiengänge, überlastete Studenten und frustrierte Professoren, die sich das alte Diplom zurückwünschen. Sogar der anfänglich größte Fan des neuen Studiengangs, die Wirtschaft – ob Großunternehmen oder Kleinbetriebe – stellt mittlerweile fest: Von der versprochenen „Praxisnähe“ beim Bachelor ist so gut wie nichts übriggeblieben. Eine missratene Hochschulpolitik, die Millionen Bachelor-Studierende ausbaden müssen, die Versuchskaninchen des Bologna-Experiments.“ Quelle: Monitor Nr.633 vom 26.04.2012

Kommentar: MP

„Studiengänge, die überfrachtet sind, Studierende, die überfordert sind, Dozenten, die frustriert sind und am Ende Absolventen, die keinen geeigneten Job finden.“ Mit dieser Beschreibung gibt Bernhard Kempen, der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes in dem Monitor-Beitrag wieder, was alle, die vor der Realität nicht die Augen verschließen, längst wissen: Die Hochschulreform, die vor 13 Jahren unter der Bezeichnung Bologna-Prozeß in Gang gesetzt worden ist, hat keines ihrer erklärten Ziele erreicht und muß deshalb nach den Kriterien der von ihr selbst eingeführten Outputorientierung für  gescheitert gelten. Wir haben das auch auf dieser Homepage schon mehrfach konstatiert.

Die entscheidende Frage ist nun, warum der Irrsinn gleichwohl fortgeführt wird. In dem genannten Monitor-Beitrag findet sich eine Antwort auf diese Frage, die durchaus erwägenswert ist und doch nicht ganz überzeugt. In dem Abschlussstatement sagt der Kultusminister von Mecklenburg-Vorpommern Mathias Brodkorb: „Man darf eines nicht vergessen, an diesem Projekt Bologna-Reform sind Tausende Menschen in diesem Land beteiligt, die seit Jahren das befördern und auch allen erklärt haben, das ist besser, als das was wir hatten. Jetzt stellt sich heraus, das ist nicht so. Und diese vielen tausend Menschen müssen bereit sein zu sagen, oh, wir haben uns geirrt, das war ein Fehler. Das müssen wir heute einsehen. Und ich glaube, dieses Eingeständnis zu formulieren, fällt vielen nicht ganz leicht.“

An dieser psychologischen Erklärung, die das Fortdauern des Bologna-Desaster auf eine innere Blockade zurückführt, mit der die Verantwortlichen sich vor dem Eingeständnis schützen, einen Fehler von historischen Ausmaßen begangen zu haben, ist sicher manches dran. Viele der Aktivisten und Propagandisten bis in die obersten politischen Ränge hinein wirken in ihrem Festhalten an dem gescheiterten Bologna-Projekt tatsächlich eigentümlich verstockt und borniert. Doch die Psychologie reicht zum Verständnis des anhaltenden Unsinns nicht aus. Auch ganz handfeste ökonomische Motive sichern den Fortgang des Bologna-Prozesses. Und es dürften die gleichen sein, die schon für seine Initiierung entscheidend waren. Nur treten an diesen Motiven jetzt ganz neue Aspekte hervor. Und im selben Maße, wie sie hervortreten, wächst ein monströser Verdacht: Könnte es sein, dass die Hochschulen als Teil eines allgemeinen und öffentlichen Bildungswesens mit Hilfe dieser sogenannten Reform mutwillig zerstört werden, um den privaten Marktkräften, den internationalen Kursanbietern und Qualifikationsbetrieben, die steuerfinanzierte Konkurrenz endgültig vom Halse zu schaffen und den Weg für nachhaltige Geschäfte zu ebnen?