Veröffentlicht am 29.10.11

„Gehalt von Uni-Präsidenten zu hoch?“

„Viele Präsidenten und Vizepräsidenten von niedersächsischen Hochschulen verdienen zu viel Geld. Künftig soll die zuständige Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) die Grenzen strikter einhalten. Das hat jetzt der zuständige Ausschuss des Landtags in einer vertraulichen Sitzung beschlossen – und sich damit die Kritik des Landesrechnungshofes angeeignet.

Die Prüfbehörde hatte auf eine Fehlentwicklung aufmerksam gemacht: Jährlich würden knapp 400 000 Euro zu viel ausgegeben, weil die Universitäten und Fachhochschulen bei der Gewährung von Zulagen für ausgesuchtes Spitzenpersonal zu großzügig vorgehen… Vor allem bei den Stiftungshochschulen, die noch freier bei der Entscheidung über ihre Besoldung sind, seien die Verhältnisse „aus dem Ruder gelaufen“, ergänzte der Vertreter des Rechnungshofes im Landtagsgremium. Das Ministerium lasse den Stiftungshochschulen (die Tierärztliche Hochschule Hannover, die Unis in Göttingen, Lüneburg, Hildesheim und die Hochschule in Osnabrück) „zu lange Zügel“ und drohe, „die gebotene Kontrolle zu verlieren“.

In Göttingen soll der Stiftungsrat der Universität wissentlich die im Stellenplan gezogene Obergrenze der Besoldung überschritten haben. Es geht um die Leiterin eines Kollegs, die ihren Lebensmittelpunkt München nicht aufgeben wollte und deshalb von der Uni die Miete für ihre Zweitwohnung finanziert bekam. Während der Rechnungshof hier womöglich sogar den Straftatbestand der Untreue erfüllt sieht, nennt der Sprecher des Ministeriums den Vorgang „einen Einzelfall“ – weil die Uni wegen der Exzellenzinitiative unter Zeitdruck habe handeln müssen.“ (Quelle: Klaus Wallbaum: Göttinger Tageblatt vom 25.Okt.2011; im Netz nicht frei zugänglich, deshalb etwas ausführlicher zitiert)

Kommentar MP

Das wohl wichtigste und auch verhängnisvollste Ergebnis des Bolognaprozesses, der machtvoll und unerwartet wie ein Tsunami die überlieferte Universitätslandschaft heimsuchte, war die Verwüstung der demokratisch strukturierten akademischen Selbstverwaltung und ihr Ersatz durch Top-down-Strukturen, wie sie in privaten Wirtschaftsbetrieben üblich sind. Aus den Rektoren, die bislang als princeps inter pares in Abstimmung mit ihren Kollegen die Universität leiteten, wurden nun Präsidenten, die als Geschäftsführer die Entscheidungsmacht bei sich bündelten und wie die Vorstandvorsitzenden eines Dax-Konzerns nur noch ihren Aufsichtsräten verantwortlich waren.

Ursprünglich war diese Entwicklung nicht abzusehen. Die Bolognabeschlüsse waren bekanntlich zunächst nichts weiter als die Absichtserklärung einer Gruppe von europäischen Kultusministern, Staatssekretären und Experten aus der EU und einigen Nachbarstaaten, die am 9. Juni 1999 als Protokoll einer informellen Plauderstunde der Öffentlichkeit vorgestellt wurde und keinerlei vertragliche weder völkerrechtliche noch sonst eine juristische Verbindlichkeit besaß. Dass diese kollektive Absichterklärung dann doch in politische Entscheidungen überführt und schließlich realisiert wurde, verdankt sich dem unglücklichen, aber historisch keineswegs zufälligen Zusammentreffen mehrer Faktoren: Neben einer modernisierungssüchtigen Rot-Grünen Regierung unter dem Parvenü Schröder und dem Renegaten Fischer, die glaubten sich in Wirtschaftskreisen beweisen zu müssen und zur bürgerlichen Bildungstradition ein eher gespaltenes Verhältnis hatten, und den üblichen nationalen wie internationalen Strippenziehern und Propagandisten der neoliberalen Reaktion, von der OECD über den Aktionsrat Bildung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) bis zu dem wohl mächtigsten „Reformmotor“, der Bertelsmann Stiftung, tat sich u.a. bei der Durchsetzung des Bolognaprozesses vor allem die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hervor. Ohne das Drängen und den Ehrgeiz dieser „Repräsentanten“ wäre das Bolognadesaster nicht möglich geworden. Die Rektorenkonferenz hat, statt den Widerstand zu organisieren, im Bündnis mit den „sanften“ Manipulatoren der Bertelsmannstiftung dem neuen Modell der „unternehmerischen Universität“ zum Durchbruch verholfen. Jetzt scheinen sich einige Mitglieder dieser selbsternannten und eigensüchtigen Reformtruppe den Lohn für ihren Verrat an der humboldtschen Universitätsidee auszahlen zu lassen.

Die Nachricht von den überhöhten Bezügen einiger Universitätspräsidenten passt in eine Zeit, in der auf der anderen Seite große Teile des akademischen Personals in prekären Arbeitsverhältnissen gehalten werden. Die Ära des Neoliberalismus, diesem „größte Irrtum in der Geschichte des ökonomischen Denkens“  hat es möglich gemacht: den einen wird gegeben und den anderen genommen. Die Richtung des Transfers ist dabei immer die gleiche: von unten nach oben.