Veröffentlicht am 03.11.14

Zu allem fähig?

Oder: Alles muss laufen, aber nichts geht mehr …

Gastbeitrag von Heribert Schopf

Der Beitrag nimmt den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs zu Lehren und Lernen zum Anlass, auf Problemlagen des situativen Unterrichts hinzuweisen. Dabei wird deutlich, dass der Differenz zwischen inhaltsneutralen Gestaltungsformen des Unterrichts, in denen die Lernperson eher beschäftigt wird und einem Lernen auf Basis fachlicher Vermittlung der Inhalte zu wenig Bedeutung geschenkt wird. Unterrichtliche Erfahrung und Reflexion der Analyse laufen dadurch Gefahr, Unterricht als reines interaktionales Geschehen zu interpretieren, bei dem die Sache,die gelehrt und gelernt werden soll, mehr und mehr aus dem Blick gerät.

Eiinleitung

In den letzten Jahren mehren sich nicht nur für Unterrichtswissenschaftler/-innen erfreulicherweise die Publikationen zur Unterrichtswissenschaft und Didaktik (exempl. ausgewählt: Stadtfeld, Dieckmann 2005; Gruschka 2002, 2011a und b, 2013, 2014; Terhart 2009; Proske, Meseth, Radtke 2011; Reh, De Boer 2012). Nach Jahren der zum Abschluss gekommenen klassisch gewordenen Modelle der Didaktik (Blankertz 1974, Gudjons, Winkel (Hg.) 1999; Peterßen 5 1996), die zumeist, wenn überhaupt, heute nur mehr als Prüfungsstoff für angehende Lehrpersonen fungieren, gibt es nun eine neuerliche spannende wissenschaftliche Didaktikforschung. Dabei kann festgehalten werden, dass die damalige Arbeit an Begründungszusammenhängen von Erziehung,
Unterricht und Didaktik ein beachtliches Problemniveau erreichen konnte. Man muss aber auch feststellen, dass im Laufe der Zeit Bruchstücke dieser Modelle zumeist in neueren konstruktivistischen, lehr-lerntheoretischen und neoreformpädagogischen didaktischen Ansätzen wieder auftauchten, ohne damit die ursprünglich in ihnen verhandelten Implikationszusammenhänge mitzuführen (vgl. Schopf 2010)

Heute ist die Wissenschaftslage der Didaktik zwar ebenso kontrovers, unüberschaubar und vielfältig, neu scheint zu sein, dass im Gegensatz zu den „Klassikern“ nun der situative und tatsächliche Unterricht forschungslogisch, d.h. sowohl bildungstheoretisch als auch psychologisch (Lehr-Lernforschung) in den Blick rückt (vgl. Terhart 2009, 30-42). Die neue Praxisorientierung ist dem Umstand geschuldet, dass einerseits in der Ausbildung gelernte Theorien kaum auf die Praxis durchschlagen, d.h. Lehrpersonen sich in ihrem Unterricht immer weniger nach den von ihnen gelernten und abgeprüften Theorien richten, und andererseits dem Umstand, dass das, woran sichviele Lehrpersonen in ihrem Unterricht richten, so die Forschungsergebnisse, nicht einmal mehr in Rufweite wissenschaftlicher didaktischer Theorie zu stehen scheint. Zumeist sind Schulbuch- und Ratgeberliteratur, sowie Materialiensammlungen aus dem Internet die maßgeblichen Quellen des didaktischen Inputs von Lehrpersonen. Für die wissenschaftliche Planung und Reflexion des Unterrichts benötigt man aber mehr als das. Einerseits ein festes Fundament (normative Basis) und andererseits auch die Kompetenz, diese diversen und konträren Richtungen zu überschauen. Mit Überschauen allein ist es aber auch noch nicht getan. Professionstheoretisch müsste es auch zu einer Wechselwirkung zwischen Forschungsergebnissen und tatsächlicher Praxis kommen. Dies wäre einer der vordringlichsten Aufgaben von Aus- und Weiterbildung.

Der ganze Beitrag als PDF: Schopf: Alles muss laufen