Veröffentlicht am 19.06.14

Wider die Monokultur

Die ökonomische Lehre darf sich nicht blind einer Weltsicht verschreiben. Der Protest der VWL-Studenten ist gerechtfertigt.

Weltweit ist die ökonomische Lehre in den letzten Jahrzehnten radikal standardisiert worden. Global wird nach der gleichen ökonomischen Methode gelehrt. Treibende Kraft ist die rasante Verbreitung amerikanischer Lehrbücher, die übersetzt in bis zu vierzig Sprachen und millionenfach verkauft international den Maßstab für ökonomische Bildung setzen. Die Folge ist eine geistige Monokultur nicht nur in der Volkswirtschaftslehre. Gregory Mankiw, ein führender Lehrbuchautor, schreibt, es bräuchte nur ein oder zwei Vorlesungen, um die einzigartige Sicht der Ökonomen auf die Welt zu vermitteln. Diese Veranstaltungen aber sind integraler Bestandteil aller wirtschaftswissenschaftlichen und anderer Studiengänge. In Deutschland besuchen sie etwa zwanzig Prozent aller Studierenden. In den USA sind es laut New York Times über eine Million Studierende pro Jahr. Auch hat die standardisierte ökonomische Bildung längst die Schulen erreicht. Wieder einmal aber regt sich Widerstand. 65 Vereinigungen von Studierenden der Ökonomie aus 30 Ländern sehen ihr Fach in einer Krise und fordern tief greifenden Wandel (www.isipe.net). Ihr Protest ist kaum verwunderlich. Überall auf der Welt krankt die ökonomische Bildung zumindest an Dreierlei: ihrer Einseitigkeit, ihrer Realitätsferne und an ihren potenziell verheerenden Auswirkungen auf die Praxis. Irritierend ist, dass alle drei Punkte keineswegs zufällig, sondern systematisch bedingt sind.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit propagiert die ökonomische Standardlehre, dass sie „nicht über den Gegenstandsbereich Wirtschaft definiert ist, sondern durch die spezifisch ökonomische Perspektive“. So formuliert es etwa der Gesamtausschuss der gewerblichen Wirtschaft und folgt damit der Chicagoer Schule der Wirtschaftswissenschaften. Damit wird alle Perspektiv- und Methodenvielfalt von vornherein negiert. Bevor junge Menschen ihr forschendes Interesse auf reale Probleme richten, sollen sie sich ein festes Erklärungsinstrumentarium aneignen, die immer gleichen „Kernwahrheiten“ (Samuelson), dasselbe „fundamentale Gedankengut“(Mankiw) der Ökonomielernen – unabhängig von den Aufgaben, vor denen sie einmal stehen werden. Die extreme Einseitigkeit der ökonomischen Lehre ist also explizit einem Wissenschaftsprogramm geschuldet, das Ökonomen selbst als „ökonomischen Imperialismus“ bezeichnen.

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