Veröffentlicht am 22.04.17

Weniger ist weniger

Skeptische Anmerkungen zur Schule, die nie wieder so sein wird, wie sie nie war. Von Metaphern und Prinzipien im pädagogischen Diskurs.

Ein Gastbeitrag von Heribert Schopf

Der Untertitel meines Vortrages lehnt sich, wie Sie vielleicht gleich bemerkt haben, an einen Buchtitel von Joachim Meyerhoff an, den Titel habe ich mir von Volker Ladenthin geliehen, er ist also auch nicht von mir. Mit beiden Titeln beziehe ich mich auf ein uns allen bekanntes Sprachspiel, das vor allem von „Bildungsexperten“/„Bildungsexpertinnen“ gerne bemüht wird, z.B. früher und heute, alt gegen modern, konservativ gegen fortschrittlich und Reformunwilligkeit gegen Innovationsgeist. Dieses Bild stimmt aber weder metaphorisch noch empirisch. Was ist damit gemeint?

Am Beginn meiner Lehrerlaufbahn – und dies ist doch schon eine Weile her – wurde Unterricht zumeist nach dem Modell der Lehr-Lerntheoretischen Didaktik geplant, erteilt und reflektiert. Ich bin mir dabei nicht so sicher, ob Letzteres wirklich so eine große Rolle gespielt hat. Die Aufgabenstellungen der schriftlichen Schularbeiten legten jeweils, von Standort zu Standort verschieden, die Niveaus fest. Wie gesagt, wir sprechen vom Jahr 1984. Würde man nun nach mehr als dreißig Jahren diese Aufgabenstellungen wiederholt den heutigen Schülerinnen und Schülern vorlegen, dann würden diese sie – so meine Vermutung – als zu schwierig empfinden. Diese Annahme dürfte, gleichwohl nicht empirisch geprüft, nach vielen informellen Gesprächen mit Lehrenden halten. Hat etwa der aus heutiger Sicht „konservative“ und „verstaubte“ Unterricht von damals, ohne die didaktischen Errungenschaften, die wir heute haben, bessere Ergebnisse zustande gebracht, wie es der moderne heute nicht vermag? Mit diesem Beispiel wird eine Reihe von Fragestellungen möglich, die sich einerseits mit metaphorischen Gegensatzpaaren zu beschäftigen haben und andererseits mit den jeweils im Spiel befindlichen Relationsgefügen. Sie betreffen einerseits die Unterrichtsforschung und andererseits die Professionalisierung.

Dazu bräuchte es zumindest

  • differenzielle schräge Blicke, die nicht vernebeln, sondern klar wären,
  • keine Furcht vor normativen Setzungen, ohne die es pädagogisch gemeinten Unterricht nicht geben könne und
  • einen Begriff vom pädagogischen Denken und Handeln, ohne den man theoretisch und empirisch Erziehung von bloßer Verhaltensänderung- bzw. -steuerung nicht unterscheiden könnte
  • und zu guter Letzt auch eine Reaktion der Lehrerbildung auf die kritische wissenschaftliche Befundlage empirischer und theoretischer Unterrichtsforschung.

Der Konjunktiv ist Absicht! Es könnte auch anders sein. Es gibt sie noch die guten und hervorragenden Lehrpersonen und Schulen. Aber es gibt auch andere. Und diesen widme ich diese skeptische Analyse.

 

Der vollständige Beitrag als PDF zum Weiterlesen: Schopf_2017_Weniger_ist_weniger

Erschienen in: R&E-SOURCE. Open Online Journal for Research and Education. Tag der Forschung, April 2017