Veröffentlicht am 25.06.14

Von allen guten Geistern verlassen

Fehlentwicklungen des Bildungssystems am Beispiel Mathematik

Gastbeitrag von Erich Ch. Wittmann

In der Bildungspolitik gelten heute bestimmte Positionen zum Beispiel Kompetenzorientierung, Bildungsmonitoring, Schulzeitverkürzung, Schülerorientierung, Inklusion et cetera als ‘gesetzt’. Sie werden daher umgesetzt, ohne dass deren Sinnhaftigkeit im komplexen System Schule mit allen Konsequenzen wirklich gründlich geprüft wurde. Der Autor hält dies für einen gravierenden Fehler und plädiert für eine fundierte Alternative, die nicht nur bessere Ergebnisse verspricht, sondern auch kostengünstiger ist.

Ein kurzer historischer Rückblick

Versetzen wir uns zunächst zweihundert Jahre zurück: Nach der Niederlage gegen Napoleon wurde in Preußen 1806 beschlossen, dass Bildungssystem, das schon damals als Schlüssel für die gesellschaftliche Entwicklung angesehen wurde, grundlegend zu reformieren. Diese Reform strahlte auf ganz Deutschland aus. Obwohl die Reformer ihre Vorstellungen für die Universität und das Gymnasium nur teilweise umsetzen konnten und die Entwicklung der Volksschule stark behindert wurde, war das neue System auf allen Stufen erfolgreich. Insbesondere wirkte es sich auf die wirtschaftliche, technologische und gesellschaftliche Entwicklung der Gesellschaft sehr positiv aus. Daher war es kein Wunder, dass dieses System anderen Staaten, insbesondere in Asien, als leuchtendes Vorbild diente.

1889, fast hundert Jahre später, stellte ein amerikanischer Beobachter bei einem Vergleich fest: Es ist eine Binsenweisheit, dass das Bildungsniveau in Deutschland, einem Land mit wenigen Prüfungen, weit höher ist als in England, wo alles mit einer Prüfung beginnt und alles mit einer Prüfung endet.

Ein englischer Hochschullehrer drückte 1904 seine Bewunderung für den deutschen Mathematikunterricht mit folgenden Worten aus: Mathematik in Preußen! Ah, Sir! Sie unterrichten Mathematik, wie ihr Rudern unterrichtet. Ihre Schüler werden von Lehrern unterrichtet, die von Lehrern unterrichtet wurden, die von Lehrern unterrichtet wurden, Generationen zurück.

Ein anderer englischer Autor, der besonders von der deutschen Entwicklung in Industrie und Wirtschaft beeindruckt war, schrieb 1906: Die Deutschen sind langsam, zielbewusst, sorgfältig, methodisch und gründlich in ihrer Arbeit. Sie sind kein unternehmendes und abenteuerliches Volk, sie brauchen Zeit zum Nachdenken und Handeln. Aber sie haben eine unerreichte Fähigkeit darin, den richtigen Weg herauszufinden und ihn unbeirrt zu verfolgen.

Heute, noch einmal hundert Jahre später, ist auf allen Stufen ein bedenklicher Rückgang der schulischen Leistungen zu beklagen, auf den die Bildungspolitik alles andere als ‘langsam, zielbewusst, sorgfältig, methodisch und gründlich’ reagiert. Es ist dadurch eine Situation entstanden, die ein dänischer Kenner der deutschen Verhältnisse so beschreibt: Ich bin bisweilen erschrocken [über das deutsche Schulsystem]. Alle sind traumatisiert. Die Lehrer finden ihre Schüler schrecklich, die Schüler fühlen sich gegängelt, die Eltern überfordert. Das liegt an dem ungeheuren Bildungsdruck, der in Deutschland zuletzt aufgebaut wurde.

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