Veröffentlicht am 11.11.14

Über den „Runden Tisch“ gezogen

Die Düsseldorfer Runde zum G9 entpuppt sich als „Gefälligkeitskundgebung“ der G8-Befürworter. Von Hans Peter Klein (FAZ vom 6.11.2014, S. 8)

Die zunehmende Kritik an der seit 2002 in fast allen Bundesländern begonnenen Verkürzung der Schulzeit auf zwölf Jahre (G8) hat in diesem Jahr einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Insbesondere in den alten Bundesländern geraten die Schul-und Kultusministerien zunehmend unter den Druck von Elterninitiativen und der Öffentlichkeit, die mehrheitlich eine Rückkehr zu 13 Jahren Schulzeit (G9) fordern. Einige Bundesländer haben bereits reagiert. Neben einer generellen Rückkehr zu G9 in Niedersachsen wurden zumindest Wahlfreiheiten zwischen G8 und G9 in unterschiedlichen Ausprägungsformen beschlossen (Hessen, Bayern, Baden-Württemberg). Rheinland-Pfalz hat in weiser Voraussicht oder göttlicher Eingebung die Umstellung auf G8 erst gar nicht mitgemacht. Hamburg und Nordrhein-Westfalen lehnen dagegen die Rückführung zu G9 insbesondere für Gymnasien kategorisch ab.

Um die Wogen auch in Nordrhein-Westfalen zu glätten, sah sich nun auch das zuständige Ministerium in Düsseldorf dazu gezwungen, einen „Runden Tisch“ einzuberufen, an dem geladene Vertreter die G8/G9-Problematik angeblich ergebnisoffen diskutieren und Vorschläge unterbreiten sollten. Dabei stellte sich schon nach kurzer Zeit heraus, dass die von den Elterninitiativen gewünschte Rückkehr zu G9 überhaupt nicht auf der Tagesordnung stand. In der „Diskussionsgrundlage Empfehlungen“ vom 7. Oktober 2014 heißt es dazu: „Zwar wurden nicht – wie von den Bürgerinitiativen gewünscht – grundsätzlich Vor- und Nachteile eines acht- und neunjährigen Bildungsgangs am Gymnasium erörtert, allerdings wurden die Konsequenzen konkreter struktureller Alternativen ausführlich diskutiert.“ Entsprechend den Bologna-Reparaturwerkstätten an den Hochschulen richtete man stattdessen G8-Reparaturwerkstätten mit unterschiedlichen Schwerpunkten ein: „Schulzeit – Freizeit; Ganztag und außerschulische Bildung im Zeichen G8“ (1), „Bisherige Handlungsfelder und weitere Entlastungsmöglichkeiten“ (2), „Gesicherte Erkenntnisse als Basis für Grundsatzentscheidungen“ (3). Vorschläge wie „Ganztagsschulen sorgen grundsätzlich dafür, dass möglichst alle Hausaufgaben in Lernzeiten integriert werden“ lassen für die Gymnasien nichts Gutes erwarten. An den „Runden Tisch“ wurden folgerichtig ausschließlich Wissenschaftler geladen, die sich öffentlich für die Beibehaltung von G8 für Gymnasien eingesetzt hatten.

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