Veröffentlicht am 29.04.14

Turbo-Lernen

„Es gibt nur wenig, das so entscheidend für Lernprozesse ist wie Zeit.“ Der Bildungsforscher Heinz-Elmar Tenorth im Gespräch mit Joachim Scholl, Deutschlandradio Kultur (Sendung vom 28.02.2014)

Die Einführung des auf acht Jahre verkürzten Abiturs (G8) war eine Forderung der Wirtschaft, um junge Menschen früher ins Berufsleben zu integrieren, das gleiche Argument, das auch für die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master ausschlaggebend war. Für die Schulen gilt: Dieser Weg war offensichtlich falsch. Immer mehr Schulen kehren zum Abitur nach neun Schuljahren (G9) zurück. Zeit nicht nur zum Lernen, sondern auch zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ist in diesen jungen Jahren, in der Phase der Adoleszenz und damit an der Schwelle zum Erwachsensein, ganz entscheidend.

Zitat Tenorth::
„Schule soll Spielraum und Ernstfall zugleich bleiben, und diese beiden paradoxen Elemente miteinander verknüpfen. Und ich denke, indem man zurückkehrt zu G9 und damit auch die Erfahrungen der unmittelbar Beteiligten auch anerkennt, der Eltern, der Lehrer, der Schüler, gewinnt man etwas davon zurück, was Schule sein kann. Denn man muss gelegentlich Schule an den privilegierten Anstalten in ihrer Qualität messen. Und wenn Sie privilegierte, alte Schultraditionen haben, klassische Gymnasien in Städten wie das Johanneum in Hamburg oder Boarding Schools in den USA – der Gewinn, den die hatten, war Zeit, Ruhe und ein eigener, für Lernprozesse gesetzter Filter der Eigenentwicklung der Individuen. Und wenn man den wegnimmt, wenn man die Privilegien niemandem mehr gibt, die wenige hatten, dann macht man einen ganz grandiosen Fehler. (…) Und das Erste, was man dazu anerkennen muss, ist Eigenzeit gewähren, Eigenzeit nicht nur dulden, sondern aktiv fördern und sehen, dass der Tag und das Jahr Lernzeiten und Bildungszeiten sein können.“

Der ganze Beitrag als Text und Audio: Interwiew von Joachim Scholl mit Heinz-Elmar Tenorth (28.02.2014)