Veröffentlicht am 10.11.14

Schüler nicht beeinflussen, sondern stärken – Baden-Württembergs Bildungsplanreform 2015

Das grün-rot regierte Baden-Württemberg will die Bildungspläne seiner allgemeinbildenden Schulen revidieren. Die Pläne von 2004 sind nach Ansicht des Kultusministeriums aufgrund unklarer Kompetenzformulierungen überarbeitungsbedürftig. Künftig werden nur noch drei Niveaustufen umschrieben, schulartenspezifische Bildungspläne sind nicht mehr vorgesehen. Die geplante Reform soll die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schularten erhöhen und stärker querschnittbezogene Leitprinzipien berücksichtigen. Im Einzelnen geht es dabei um fünf Leitprinzipien, deren Auswahl fachdidaktisch nicht näher begründet wird: berufliche Orientierung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Medienbildung, Prävention und Gesundheitsförderung sowie Verbraucherbildung. Bei alldem will sich das Land konsequent an den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz orientieren. Mit Beginn des Schuljahrs 2013/14 werden Arbeitsfassungen der neuen Bildungspläne an sechzig Schulen erprobt. Schulversuche und Bildungsreformen erregen fast fünfzehn Jahre nach der ersten PISA-Studie nur noch selten Aufmerksamkeit. Man hat sich inzwischen daran gewöhnt, dass irgendwo im Bildungssystem immer wieder mal etwas umgebaut, umgekrempelt oder umgestellt wird. Doch dieses Mal sollte es anders kommen. War die Bildungsplanreform 2015 zunächst nur einem kleinen Kreis bildungspolitisch Interessierter bewusst, brach kurz vor Ablauf des ersten Schulhalbjahres ein ‘Kulturkampf’ über den Südwesten Deutschlands herein.

Genauer gesagt, war es nur ein Thema der ganzen Reform, das die Gemüter in Wallung brachte: der Umgang mit sexueller Vielfalt in der Schule. Ein ‘Arbeitspapier für die Hand der Bildungsplankommissionen als Grundlage und Orientierung zur Verankerung der Leitprinzipien’ formuliert neben den genannten fünf Leitprinzipien noch zusätzliche Gesichtspunkte ‘der Akzeptanz sexueller Vielfalt’. So heißt es in dem Papier zum Beispiel: ‘Schülerinnen und Schüler setzen sich mit der eigenen geschlechtlichen Identität und Orientierung auseinander mit dem Ziel sich selbstbestimmt und reflektiert für ein ihrer Persönlichkeit und Lebensführung entsprechendes Berufsfeld zu entscheiden’ (S. 9) – oder: ‘Schülerinnen und Schüler kennen die verschiedenen Formen des Zusammenlebens von/mit LSBTTI-Menschen und reflektieren die Begegnungen in einer sich wandelnden, globalisierten Welt’ (S. 12). Inwieweit dieses Kunstwort, das Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle umschließt, geeignet ist, Vorbehalte und Verkrampfungen im Umgang mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen abzubauen, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben.

Der ganze Beitrag als PDF: Kunze: Schüler nicht beeinflussen, sondern stärken