Veröffentlicht am 15.10.13

Noch eine Umdrehung mehr

Gastbeitrag von Ernst Guggolz zum CHE-Ranking
(Nachrichten aus der Chemie. Band 61, Heft 10, Seiten 1052–1052)

Um ja jeden Leser zu verschrecken, könnte dieser Text mit einer Aufzählung beginnen. Beispielsweise mit dieser: „World’s Best Universities“, „The Times Higher Education Supplement World Ranking“, „Academic Ranking of World Universities“ und, ganz aktuell: „QS World University Ranking“.

Sind Sie noch dabei? Dann gilt es jetzt das deutsche CHE-Ranking nachzuschieben. Dass nicht nur dem Leser, sondern auch den Hochschullehrern das ewige Ranken und Raten mehr als lästig ist – letztere kämpfen auch noch mit den Fragebogenherstellern in den Bundesländern und Hochschulen selbst – ist einsichtig. Wenig einsichtig bleibt, warum das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) sein höchst umstrittenes Ranking konsequent weiter verfolgt. Frank Ziegele will ja als CHE-Geschäftsführer nur „Service bieten“. Der ganze Aufwand des CHE nur, um zu dienen? Wohl kaum. Eher ver-dienen, wenn man die Anzeigenstrecken im Studienführer der Zeit sieht. Da liegt doch der Verdacht nahe, dass CHE und Bertelsmann (und ein wenig die vor allem durch Bund und Länder finanzierte Hochschulrektorenkonferenz) den riesigen Aufwand (der dann zu weiten Teilen kostenfrei an den Hochschullehrern lähmend hängen bleibt) vor allem betreiben, um ihre Rolle als geheimes Bildungsministerium des Bundes zu festigen. Schließlich lassen sich mit den Tabellen und bunten Punkten trefflich Verhandlungen führen, Sachzwänge konstruieren und politisch motivierte Planungen vorantreiben. Da liegt schnell Munition bereit, wenn durch demographische Entwicklung und (finanz-)politischen Willen bedingt, Fachbereiche, und nicht nur chemische, geschlossen werden sollen. So bringt sich mit CHE mancher selbst ungewollt in friendly fire.

Irrationales Detail am Rande: Rankings wie das CHE haben gerade einmal für etwa zwei Prozent der Studierwilligen eine Bedeutung. Die Nähe zum Heimathafen „Mutti“ kommt da auf ganz andere Werte.

Sonst noch gute Gründe gegen das Weiter so? Zum einen, dass die Metadaten nicht zur individuellen Interpretation an die Fachbereiche zurückgespielt werden, zum anderen, dass die CHE-Ergebnisse, bis zu drei Jahre alt und basierend auf oft dürftigen Zahlen, den Studienanfängern eine Sicherheit vorgaukeln, die es nicht gibt, nicht geben kann, nicht geben muss. Studienerfolg kommt an jeder Uni zu 80 Prozent durch Transpiration (harte Arbeit) und zu 20 Prozent durch Inspiration (Phantasie beim Studiendesign, Neugierde, Überschreiten der Fachgrenzen) zustande.
Es geht allerdings auch ganz ohne Ranking: In einer Zeit vor dem Zeit-Studienführer und http://ranking.zeit.de/che2013/de/ hat schon in einer Jahrhunderte alten Tradition der eine oder andere Student einen passenden Studienplatz gefunden und erfolgreich studiert. Und die langjährig gemessene Abbrecherquote in der Chemie zeigt sich von CHE völlig unbeeindruckt.

Das CHE-Ranking steht in der Diskussion, nein, wir sind eigentlich darüber hinaus. Und deswegen hat die Europäische Union endlich ein Ranking aufgesetzt, das alles schlägt: U-Multirank. U-Multirank, „funktioniert auch im globalen Maßstab und kann die Probleme bestehender weltweiter Rankings lösen“. Bereits 700 Hochschulen machen freiwillig mit, die englischen verweigern sich aber ebenso wie die LMU in München. Das Ranking selbst macht ein europäisches Konsortium, darunter Elsevier, die Bertelsmannstiftung und ein alter Bekannter: das CHE auf seinem Weg zum noch fehlenden europäischen Bildungsministerium.
Hätten Sie’s gewusst?