Veröffentlicht am 11.10.18

Ich studiere-also bin ich (nicht)

Essay zur Bologna-Universität. Gastbeitrag von Maximiliane Schaffrath

Ein Hort des Wissens. Sapere aude. Denken, Austausch und Diskussionen. Ist es nicht so, dass wir all das mit einer Universität assoziieren? Dort angekommen, fühlte ich mich wie in einem Wettrennen zwischen Hase und Igel. Und vom Hasendasein ernüchtert, habe ich die Flucht ergriffen.Wie kam es dazu? Darf man das überhaupt oder gilt es als eine Anmaßung, als Student über die Universität als solche nachzudenken? Man soll doch fleißig lernen, möglichst 24 Stunden am Tag, und nur ja keine Gedanken verschwenden an das System, das dahinter steht. Fraglich ist an dieser Stelle schon einmal, ob Lernen hier mit Denken gleichzusetzen ist.

Wenn wir Studenten dazu bringen, dass sie resigniert sagen: Ich lerne nur noch das auswendig, was abgefragt wird, auch wenn es mich nicht so sehr interessiert wie manche andere Inhalte. Aber dann habe ich wenigstens meine Ruhe und kann dem Leistungsanspruch in den Prüfungen gerecht werden. Wo kommen wir da hin in unserer Gesellschaft?

Das mag etwas hochtrabend klingen, aber die Frage stellt sich tatsächlich auf dieser Ebene. Denn die, die heute studieren, sollen doch die gebildeten und führenden Menschen von morgen sein, die ihr Wissen an andere weitergeben. Aber wo soll dieses Wissen herkommen, wenn man verzweifelt versucht, Unmengen an Stoff ins Gehirn zu prügeln, und diesen dann in den unzähligen Klausuren wieder „auskotzt“, um ihn möglichst schnell wieder los zu werden und Platz für neuen Stoff zu schaffen.

Zum Bücherlesen bleibt da wenig bis keine Zeit. Bücher, in denen das nötige Hintergrundwissen vermittelt wird. Bücher, die auch noch über das, was in der Vorlesung behandelt wird, hinaus gehen, und die man gerade deswegen gerne liest, weil sie den Horizont erweitern. Sonstige Bücher, die gesellschaftliche und politische Themen behandeln und last but not least, Romane gibt es ja auch noch.

Was die gesellschaftlichen Themen anbelangt, so entsteht irgendwie der Eindruck, dass man gar nicht in die fast schon luxuriös anmutende Lage der Ruhe zum Nachdenken kommen soll. Denn dann könnte man auf den Gedanken kommen, das System zu hinterfragen. Die vita contemplativa ist heute definitiv nicht mehr angesagt, außer in einem indischen Ashram vielleicht. Aus lauter Angst vor dem sozialen Abstieg ist man nur darauf bedacht, in möglichst kurzer Zeit durch das Studium hindurchzuhetzen, um danach möglichst schnell einen gut bezahlten Job zu bekommen. Denn das Hartz4-Dasein hängt wie ein Damoklesschwert über allen, über jedem von uns, und die Konkurrenz ist stark, das sieht man an den Rankinglisten im Intranet der Hochschule, wo ich meine Note genau vergleichen kann mit denen der anderen. Wie fühlt man sich, wenn man Platz 130 von 150 hat? Beschissen, würde ich meinen. Nicht genug gelernt, nicht genug Grips für die zukünftigen Eliten.

Der ganze Text (12 Seiten) als PDF: M. Schaffrath: Ich studiere, also bin ich (nicht)