Veröffentlicht am 13.04.14

Die Hamburger See-Elefanten

Eine vergleichende qualitative Analyse von zwei Zentralabituraufgaben im Fach Biologie von 2005 und 2010

In der vorliegenden qualitativen Analyse wurden zwei Grundkursaufgaben des Hamburger Zentralabiturs von 2005 und 2010 zum gleichen Themengebiet der Ökologie miteinander verglichen. Dabei wurden insbesondere die formalen Vorgaben, das fachliche Anforderungsniveau und die im Erwartungshorizont ausgewiesenen und vom Schüler einzubringenden Leistungen unter Berücksichtigung der Richtlinien analysiert. Die Aufgabe von 2005 zum Thema „Seehundbestand“ stellt eine für einen Grundkurs angemessene Aufgabenstellung dar, weil in allen Teilaufgaben zumindest grundlegende Wissensbestände aus der Biologie eingebracht werden müssen, um sie entsprechend den ihnen zugewiesenen Anforderungsbereichen lösen zu können. Hier kann der Schüler sein in der Sekundarstufe II erworbenes Wissen sachgerecht einbringen, um daraus in Zusammenhang mit dem Arbeitsmaterial die richtigen Schlüsse und Bewertungen vorzunehmen.

Davon kann in der Aufgabenstellung zu den See-Elefanten von 2010 keine Rede sein. Für die vollständige Lösung dieser Aufgaben muss der Schüler kein Fachwissen, sondern ausschließlich Lesekompetenz und Alltagswissen einbringen, um dem Erwartungshorizont in nahezu allen Punkten zu entsprechen. Die Vielzahl der in den Aufgabenstellungen verwendeten Operatoren täuscht differenzierte Leistungsanforderungen vor. Tatsächlich ist es ausreichend, vorgegebene Textpassagen einfach zu entnehmen oder umzuformulieren. Der den Lehrern von der Behörde zur Korrektur vorgegebene Erwartungshorizont von 2010 weist dies auch überraschenderweise eindeutig nach. Für fast alle Teilaufgaben wird dort darauf hingewiesen, dass die Lösungen direkt aus dem Arbeitsmaterial entnommen werden können. Dies trifft selbst auf die Aufgabenteile zu, die dem höchsten Anforderungsbereich III zugeordnet werden: Sachverhalte neu erarbeiten und reflektieren sowie Methoden und Fertigkeiten eigenständig anwenden. An derartigen Aufgabenformaten kann kaum ein Schüler scheitern, es kann sich aber auch niemand daran auszeichnen. Es klafft eine große Lücke zwischen den hohen Ansprüchen dieser Art von Kompetenzorientierung und ihrer Realität.

Die vollständige Studie aus Journal für Didaktik der Biowissenschaften (F) 5, (2014): H.P. Klein: Die Hamburger See-Elefanten