Veröffentlicht am 09.06.20

„Die Geister, die wir rufen …“ – Bildungspolitik und soziale Spaltung

Eine Streitschrift von Marc Mattiesson

 

Abstract von Sascha Frick

Nicht erst seit Corona ist das deutsche Bildungssystem einem Dauerfeuer multipler Begehrlichkeiten ausgesetzt, das die Überforderungstendenzen schulischer Arbeit seit Jahren nachhaltig speist. Dabei steht aktuell insbesondere die Glorifizierung der „Digitalisierung“ im Fokus. Technik, aber auch vermeintlich selbstgesteuerte und individualisierte Vermittlungsstrategien sind Lichtgestalt und Heilsbringer in Zeiten beschränkter analoger Beschulung und sollen es auch bei Wiederaufnahme des Regelbetriebes bleiben. Gleichzeitig wurde auch die Lösung sozialer Fragen bereits vor der Pandemie immer schon und zunehmend dem nationalen Bildungssystem überantwortet. Jetzt droht jedoch das Menetekel „sozialer Spaltung“ mit dieser Krise eine Verschärfung zu erfahren, die auch das demokratische Fundament unseres Gemeinwesens fortgesetzt und fundamental schädigen könnte.

In der folgenden Streitschrift arbeitet Marc Mattiesson in selten gelesener Klarheit heraus, wie die in schillernden Begriffen allerorts hervorgehobene soziale Agenda des deutschen Bildungssystems diese gesellschaftlichen Spaltungsprozesse sogar noch befördert. Hier handelt es sich um eine der zentralen Paradoxien schulischen Wirkens, der Lehrerinnen und Lehrer nicht selten hilflos und desillusioniert gegenüberstehen.

Gerade weil das deutsche Bildungssystem in seiner aktuellen und intendierten Ausprägung in dieser Gemengelage nach wie vor eine maßgebliche Rolle spielt und es in den letzten zwei Jahrzehnten durch Ökonomisierungsprozesse tiefgreifend deformiert wurde, bedarf es einer fundierten Analyse, die neben der Offenlegung von Strukturen und Virulenz „sozialer Spaltung“ auch bildungspolitische Verantwortlichkeiten benennt.

So entlarvt Mattiesson im Folgenden nicht nur die vordergründig philanthropische Haltung des PISA- Konsortiums, sondern auch das vermeintlich am Gemeinwohl orientierte Engagement ideologisch assoziierter Stiftungen und Verbände als elementar wettbewerbsorientiert und nachhaltig unsozial. Sichtbar wird ein perfider Etikettenschwindel, dessen Kenntnis gerade auf Seiten von Lehrerinnen und Lehrern und sich im Bildungssystem sozial authentisch engagierenden Menschen unabdingbar ist, um nicht jenen Strukturen aufzusitzen, die dem eigenen Engagement in Wirklichkeit zuwiderlaufen.

 

Die Streitschrift als PDF: Streitschrift Bildungspolitik und soziale Spaltung_Marc Mattiesson