Veröffentlicht am 24.04.19

Big Data, Clouds und Algorithmen

Warum eine gesteuerte „smarte Schule 4.0“ sich nicht als Zukunftsmodell eignet.

Gastbeitrag von Markus Reinisch

Quer durch alle Bundesländer und Schularten sehen sich die Lehrenden und Lernenden mit neuartigen Medienkonzepten und bildungspolitischen Forderungen rund um digitale Neuerungen konfrontiert, die Verantwortlichen reagieren sehr unterschiedlich darauf. Bisweilen geht es in bedachten Szenarien darum, zu eruieren, wie der Umgang mit digitalen Medien sinnvoll in Lern-, Bildungs- und Schulentwicklungsprozesse eingebunden werden kann. Allzu oft werden jedoch auch Stimmen laut, die Entwicklungen aus den Bereichen „smart production“, „smart home“, „quantified self“ auf die Schule übertragen wollen und dies schlicht mit dem zweifelhaften Etikett der „digitalen Bildung“ versehen. So entsteht der Eindruck eines seriösen, wissenschaftlichen Anstrichs, der dadurch verstärkt wird, dass die dahinter stehende Konzeption von „Big Data“ neuerdings „Data Science“ genannt wird.

Allerdings geht es dabei meist um eine unreflektierte Analogiebildung von Industrie und Erziehung. Prinzipien von „Industrie 4.0“ (wie Steuerungs- und Prozessionstechnik, Automatisierung) sollen im Zuge der alles erfassenden, „disruptiven“ Digitalisierung schlicht auf den Bildungsbereich angewendet werden: „smart school“, „Schule 4.0“, „Bildung 4.0“ oder „Unterricht 4.0“ lauten die erklärten Szenarien der Daten-Euphoriker, hinter denen nicht selten Interessen mächtiger (Daten-)Konzerne stehen. Schließlich gelte es, die effektive, rationalisierende Wirkung der digitalen Entwicklungen aus dem Wirtschafts- bzw. Industriesektor in den Bildungsbereich zu „verpflanzen“, nach dem Motto: „Was in der Fabrik geht, muss auch im Klassenzimmer möglich sein!“ Welchen Stellenwert hat der Mensch, hier der junge, sich bildende Lerner?

Dass mit einer solchen unreflektierten Analogiebildung auch eine unsägliche „Disruption“ des Lern-, Wissens- und Bildungsbegriff einher geht, wird dabei zugunsten ökonomischer Zielvorstellungen oft außer Acht gelassen. Schüler wie Lehrer finden sich in jeweils neuen, oftmals fremdbestimmten Rollen wieder, die von neoliberalem Verwertbarkeitsdenken geprägt sind (vgl. Lankau 2015; Bernhard 2013). Profile statt Persönlichkeiten, Netzwerke statt Gemeinschaften, berechnete Standardisierung statt Kreativität, psychometrische Vermessung statt Intuition, Algorithmisierung statt Spontaneität bestimmen das Lernen in einem „Unterricht 4.0“. Oberflächlich ist diese Art des Lernens durch die digitalen Neuerungen zwar auf Individualisierung hin ausgerichtet, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen jedoch als technokratische Steuerung im Sinne einer neuen Kybernetik – und somit einem humanistischen Bildungsbegriff klar zuwider läuft.

Im Folgenden sollen die auf eine umfassende „Datafizierung“ zurückgehenden Aspekte von „Schule 4.0“ einer kritischen Analyse unterzogen werden, wobei zu zeigen ist, dass die Analogiebildung zwischen Industrie und Erziehung, zwischen Technisierung und Bildung mitsamt all der „Instrumentarien“ „Big Data“, „Clouds“ und „Algorithmen“ aus bildungs- und lerntheoretischer Sicht nicht tragbar sein kann.

Der ganze Betrag als PDF: Reinisch: Big Data, Clouds und Algorithmen