Veröffentlicht am 24.08.14

Von Bildung zu Kompetenz! Ein Quantensprung!

Gastbeitrag von Heribert Schopf

Es gibt Begriffe, an denen wir festhalten, obwohl wir gar nicht mehr so genau wissen, was mit ihnen alles noch im Spiel ist. Zu einem solchen Begriff wurde in den letzten Jahren der (klassische) Bildungsbegriff. Begriffe, die nicht (mehr klar) definieren (können), was sie sagen, oder jene, die es an sich haben, nicht klar begrenzen zu können, was sie meinen, werden zu Chiffren. Chiffren sind beliebig, haben wenig Kontur und sind offen für allerlei Füllungen. Gerade weil man ihre inhaltlichen Füllungen nicht mehr genau kennt, laufen derartige Begriffe Gefahr zu „Allerweltsbegriffen“, zu Schlag- oder zu Plastikwörtern zu werden. Auch Bildung, als leerer Begriff, ist zum „Totschlagargument“ geworden.

Das Platzhalterphänomen nimmt seinen Lauf: Man reklamiert mehr Bildung, man mahnt die Bildung der Jugend ein, man gerät geradezu in eine Bildungspanik (Bude). Das Gute daran ist, man muss nicht mehr belegen, was genau darunter eigentlich gemeint ist. Die inflationäre Rede über Bildung schwingt etwas an, was uns jedoch grundsätzliche Zustimmung abringt. Wer kann schon leichtfertig gegen Bildung sein? Bildung, als leerer Begriff, ist zum Überredungsbegriff geworden (Reichenbach). Bildungstheoretisches Denken indes kommt einerseits in der veröffentlichten Debatte abhanden, es stört die Bildungsmanagementprozesse, und andererseits kommt es gar nicht mehr zum Zug, weil sich deren Inhalte (die spröde Bildungstheorie) nicht in messbare und operationalisierbare Größen umwandeln lassen. Könnte man dies nämlich, wäre auch die Quadratur des Kreises kein Problem mehr.

Oder anders gewendet: Ein ernstzunehmender Bildungsbegriff entfaltet seine Stärke erst durch die Bestimmtheit seiner Unbestimmtheit. Das macht ihn für jene suspekt, die mit ihren Messinstrumenten an seine Grenzen stoßen und für jene attraktiv, die in ihm (vielleicht) ein letztes Freiheitspostulat des Menschen erblicken. Gelingen und Misslingen subjektiver Bildung (eine andere gibt es nicht) hängen damit zusammen, wie der Zweck dieses Bildungsprozesses mit dem Gegenstand, an dem sich Bildung vollzieht, zusammen bringen lässt. Bildung ist in diesem Verständnis Selbstzweck des sich bildenden Subjekts. Andere Zugriffe oder Zwecke, die auf das Subjekt einwirken, sind daher bildungstheoretisch verdächtig. Diese Position ist nicht einseitig subjektivistisch gedacht, weil nicht die Welt dem Subjekt anzugleichen ist, sondern die Aufgabe der Bildung ist genau das Umgekehrte. Die Zufälligkeit und Beliebigkeit des bloß subjektiven Geistes ist nicht zu bewahren, sondern zu überwinden. Bildung ist die Veränderung des Subjekts, genauer: seine Selbstveränderung dadurch, dass es sich in einem Objektiven, welches es nicht selbst ist, verliert und sich dort heimisch macht. Indem es sich das zunächst fremd Erscheinende aneignet und mit ihm vertraut wird. (Sünkel 1994, S. 68).“ Die Bildungsbewegung des Subjekts bleibt dabei immer aufgabenhaft, sie kommt an kein Ende, lediglich Ausbildungen sind abschließbar.

Die Selbstreflexivität des Bildungsgedankens nimmt ein Subjekt an, das in doppelseitiger Weise seine Kräfte proportionierlich in alle Richtungen entfalten kann (Humboldt). Bildung kann daher nicht durch Qualitäts- und Ausbildungsinstitutionen linear und kausal vorherbestimmt werden. Freie Wechselwirkung ist nicht mehr gegeben, wenn das Subjekt seine Bildungsbemühung einem ständigen Verwertungsdruck aussetzen muss. So werden die Freiheitsräume vermeintlich größer und die Abhängigkeiten der geforderten Weltaneignung strukturell kanalisiert und dabei für den Einzelnen immer undurchsichtiger. Kabarettistisch hieße das dann so: Ich lerne wo ich will, wann ich will und was ich will. Bei Humbug!(Grissemann/Stermann) Aber bitte nur etwas, was auch gebraucht wird, müsste man hinzufügen, nicht etwas, was nur zur eigenen Erbauung erlernt wird.

Der gesamte Beitrag als PDF: H. Schopf: Bildung und Kompetenz