Veröffentlicht am 04.04.15

Bildungs-Troika bläst zum Angriff

Was mag die Kommunikationsdesigner der Bertelsmann-, Telekom- und Bosch-Stiftung wohl dazu bewogen haben, ihr gemeinsames Positionspapier zur Bildungspolitik in der Bildsprache einer militärischen Operation zu visualisieren? Unter der Überschrift ›Bildungsföderalismus mit Zukunft‹ greifen invasorische Pfeile von Berlin und Bayern in Ostgebiete aus, wo – zumindest nach derzeitiger Grenzziehung – das Staatsgebiet von Polen, Tschechien und die Ukraine liegen müsste.

Ausriss Titelblatt Bertelsmann-/Telekom-/ Bosch-Stiftung

Ausschnitt Titelblatt der Borschüre „Bildungsföderalismus mit Zukunft “ der Bertelsmann-/Telekom-/ Bosch-Stiftung

Ausschnitt a.d. Titelblatt der Broschüre Bildungsföderalismus (siehe Link) der Bertelsmann bzw. Bosch-Stiftung

Liegt unsere Zukunft in einer Konfrontation mit Osteuropa oder gar einem Krieg gegen Russland? Sollen die Empfehlungen der Stiftungen Deutschland zu neuer Stärke führen, indem die föderale Vielfalt unter der Perspektive außenpolitischer Bedrohungen homogenisiert wird? In jedem Fall ist es eine treffende Darstellung jenes bildungsökonomischen Imperialismus, mit dem seit der „Chicago School“ die Kultur kolonialisiert werden soll.

Aus der Sicht der Stiftungs-Troika hat sich die konzertierte Reform-Offensive von OECD und nationalen Transmissions-Agenturen im Morast der föderalen Bildungsinstitutionen festgefahren. Es herrsche „bildungspolitischer Stillstand“ und zwar aufgrund von „systemischen Blockaden [sic!]“, „inadäquater Ressourcenausstattung“ und eines ‚konzeptionellen Vakuums’ (Vgl. S. 3).

Nun mögen Lehrer, Eltern, Schüler und möglicherweise auch Wissenschaftler die letzten Jahre gar nicht als „Stillstand“, sondern als chaotisch und aktionistisch erlebt haben und würden sich vielleicht eher eine Pause des bildungspolitischen „water-boardings“ wünschen. Aber die ebenso hochrangig wie unkontrovers besetzte Wissenschaftlerrunde (vgl. S. 8), deren Vertreter in zahlreichen Kommissionen schon die Segnungen der PISA- und Bologna-Zeit in die Bildungsrepublik ausgebracht oder die sich durch Kritik der Reform-Kritiker der Steuerungszentrale angedient haben, empfiehlt eher eine Forcierung der Maßnahmen und zwar durch empfindliche Eingriffe in die demokratische Selbstbestimmung der Bürger und die wissenschaftliche Kultur:

1. Bildungspolitik soll „entideologisiert“ und die Potenziale der empirischen Bildungsforschung, die „bislang in weiten Teilen ungenutzt“ blieben, fruchtbar gemacht werden – nicht zuletzt durch Abbau von Datenschutzbestimmungen (S. 5). Es ist natürlich eine Anmaßung der Troika, wenn sie den Anschein erweckt, der von ihr forcierte Bildungsbegriff sei ideologiefrei. Gemeint ist damit vielmehr eine Entpolitisierung und Entdemokratisierung der Bildungsfrage durch die Abgabe der Souveränität an ein „Experten“gremium. Doch ist ein offener Streit um Grundüberzeugungen und Ideologien allemal besser als die Kryptoideologie, die sich als Empirische Bildungsforschung ausgibt und – ganz entgegen der Einschätzung/Behauptung des Positionspapiers – in den letzten 15 Jahren fast eine hegemoniales Monopol im bildungspolitischen Diskurs errichtet hat.

2. Durch eine Grundgesetzänderung soll in die föderale Struktur eingegriffen werden (Stichwort: Kooperationsverbot). Ob damit tatsächlich die Länder gestärkt werden oder nicht eher die demokratisch legitimierte Politik geschwächt werden soll, darf skeptisch gefragt werden, wenn zugleich eine Unterwerfung der politischen Entscheidung unter sog. „wissenschaftliche Befunde“ (S. 6) gefordert wird. (Vgl. Punkt 1)

3. Der dritte Baustein der Empfehlungen besteht in der Errichtung eines Nationalen Bildungsrates, der im Unterschied zu demokratie-bedingten Regierungswechseln in Bund und Ländern eine personelle und inhaltliche Kontinuität gewährleisten soll (S. 7). Das Gremium käme einem expertokratischen Zentralkomitee gleich, das die Frage der Bildung dem Wählerwillen entzöge. Das Versprechen kein „einheitliches Bildungssystem“ in ganz Deutschland schaffen zu wollen, kann insofern nicht beruhigen, als weniger die Homogenisierung der Strukturen zu befürchten ist, als vielmehr die versteckte Gleichschaltung der pädagogischen Modelle, Ziele, Inhalte, Methoden usf., wie es bereits beispielweise durch die Etablierung der Kompetenzdoktrin vollzogen wurde. Im Ganzen ist das Papier getragen von einem technokratischen Steuerungsphantasma: Das beschworene „konzeptuelle Vakuum“ schreit nach expertokratischer Füllung und entzieht dadurch wesentliche Bereiche der schulischen Wirklichkeit der pädagogischen Freiheit und Verantwortung der Kollegien, die zu bloßen Erfüllern herabgestuft werden. Demokratie soll zu einer von unsichtbaren Experten gesteuerten Scheinveranstaltung werden, wie sie den Altvätern der Propagandatheorie vorschwebte.

Im Unterschied zu Griechenland stehen die Bundesländer noch nicht vor dem Bankrott, so dass sie sich gut überlegen sollten, ob sie sich diese Troika ins Haus holen wollen. Etwas mehr griechischer Unabhängigkeitsgeist täte hier den Deutschen gut.