Veröffentlicht am 09.12.11

Die vertagte Demokratie – zur politischen Dimension der öffentlichen Meinung

Die Frage nach der öffentlichen Meinung beschäftigt den französischen Philosophen und Begründer der Dekonstruktion, Jacques Derrida (1930-2004) in seinem Essay Die vertagte Demokratie. Der Text erscheint im Jahr des Mauerfalls 1989 — eine Zeit politischer Umbrüche, die nicht erahnen ließ, welche Herausforderungen noch auf das neue Europa zukommen würden. Die Wahrheit auch gegen mögliche Widerstände öffentlich auszusprechen ist das geistige Erbe der Aufklärung. Im Zuge unbegrenzter Möglichkeiten der Selbstentäußerung verblaßt dieses hohe Gut jedoch zusehends. Das mühsam erstrittene Privileg des öffentlichen Vernunftgebrauchs freier Subjekte mutiert im technologisch hochgerüsteten Medienzeitalter zur reinen Inszenierung privater Befindlichkeiten. Wenn Aufmerksamkeit zur wichtigsten Kapitalform wird und bezahlte Kampagnen das Denken steuern, verwischen die Grenzen zwischen Doxa und Wissen, Meinung und Urteil, Schein und Wahrheit. Es gilt also diese Differenzen erneut zu prüfen und nach den Mächten zu fragen, die der kommenden Demokratie entgegenstehen; auch um sichtbar werden zu lassen, wie man der schleichenden Entpolitisierung des öffentlichen Raumes im Rahmen von Bildung, Humanität und sozialer Verantwortung begegnen kann.

Dr. E. Ode beim Vortrag auf dem Kölner Symposion „Demokratie setzt aus“ im November 2011

[Manuskript]

[Videoausschnitt] (youtube)