Veröffentlicht am 10.11.14

Wie wird die schönste pädagogische Vision Wirklichkeit? Grenzen und Möglichkeiten der Inklusion

Gastbeitrag von Rainer Dollase

Die Inklusion ist die schönste pädagogische Vision der letzten Jahrzehnte. Das ‘Gemeinsame Lernen’, der Verzicht auf alle Unterschiede in Behandlung, Therapie und Unterricht versetzt Menschen in Entzücken. Die Assoziationen des gemeinsamen Lernens sind einfach wunderbar und sie aktivieren den Wunsch nach paradiesischen Zuständen auf Erden. Das kann man ohne Ironie schreiben.

Gegen solche schönen und moralisch einwandfreien Vorstellungen und Wünsche hat man es als Realisierungszweifler schwer. Dass Eltern mit beeinträchtigten Kindern der Hoffnung ‘Inklusion’ anhängen, ist menschlich verständlich. Niemand in Vergangenheit und Gegenwart will in irgendeiner Form diese Vision in Abrede stellen, sondern wir sind alle aufgefordert, das Los der Menschen mit nachteiliger körperlicher, geistiger oder seelischer Ausstattung zu verbessern und allen dasselbe Ausmaß an Chancen auf Glück zu gewähren – soweit es möglich ist. Über diese Forderung gibt es und gab es eigentlich nie einen wirklichen Dissens.

Das Hauptproblem ist aber, dass man Visionen oft nur unvollkommen erreichen kann. Es hat sich in der deutschen Pädagogik und in der aktuellen Bildungspolitik eingebürgert, dass man Menschen Versprechungen macht, die man so, wie sie formuliert werden, nie verwirklichen kann. Es ist unmodern, auf die Grenzen des pädagogischen Machbarkeitswahns hinzuweisen – damit lassen sich keine Wahlkämpfe gewinnen. So wird eben doch versprochen, dass die große Vision von Inklusion machbar sei, nur Vorteile für alle habe und das gemeinsame Lernen ‘beste Pädagogik’ ermögliche. Und der Rest wird ‘gefördert’. Nichts davon ist bewiesen, denn es ist nicht beweisbar und auch nicht machbar. Gegen einen leichtfertigen Umgang mit der Frage der Realisierbarkeit schöner Visionen werden in allen Bereichen der Gesellschaft natürlich auch Kritikerinnen und Kritiker auf den Plan gerufen. Berufsverbände und Praktiker mahnen die unzureichenden Bedingungen an, Inklusion in die Tat umzusetzen. Kritiker aus der Wissenschaft wie Rainer Winkel (2011) oder Bernd Ahrbeck (2011) zeigen auf, dass auch eine nicht gemeinsame Beschulung im Interesse des beeinträchtigten Kindes liegen kann. Andererseits gilt für die Praxis, wie jeder, der regelmäßig hospitiert oder selber unterrichtet und in der Lage ist, vorurteilsfrei zu beobachten, auch feststellen kann: Inklusion ist oft ein Etikettenschwindel. Kinder können im Unterricht dabei sein, aber sie werden nicht spezifisch gefördert.

Der ganze Beitrag als PDF: Dollase: Wird die schönste pädagogische Vision Wirklichkeit?