Veröffentlicht am 12.12.11

Liebesgrüße aus Gütersloh

›Liebe öffnet Herzen‹ lautet der rührselige Titel eines kleinen Büchleins von Liz Mohn, die man mit einem gewissen Recht zu den mächtigsten Frauen Deutschlands zählen kann. Nach dem Tod von Reinhard Mohn regiert sie nun das Bertelsmann-Imperium und gemeinsam mit ihrer Freundin Angela Merkel Deutschland und die Welt gleich mit. Da ihr keine hoheitlichen Befugnisse und Apparate zukommen, stützt sie ihre Macht auf die Bertelsmannstiftung und ihre diversen Centren, Rankings, Studien und Medien (von Gruner&Jahr bis zur RTL-Group),um über ›Politikberatung und Reformkommunikation‹  politische Projekte zu installieren und voranzutreiben. Sehr geschickt nistet sich die Bertelsmann-Stiftung diskursiv in vermeintlich mehrheitsfähige Problemdiagnosen ein, öffnet so die Herzen ›der Menschen‹, so dass diese gar nicht merken, dass der rhetorische Gutmenschentrojaner nur Träger von New Public Management und antidemokratischen Ökonomismen ist. So immunisieren sich die Liquidatoren europäischer Kultur vor Kritik: Integration von Migranten, Inklusion, Teilhabe, Empowerment, Kein Kind zurücklassen!, Modernisierung des Gesundheitswesens… Wer wagt da noch, kritische Fragen zu stellen?

Besonders im Bereich der Demokratiepolitik unternimmt die Stiftung bedenkliche Projekte. Das Centrum für angewandte Politikforschung diagnostiziert ein funktionales Defizit der Demokratie, das einer ›good governance‹ im Wege steht: Das leidige Problem nämlich, dass Menschen zu anstehenden Reformvorhaben unterschiedliche Meinungen haben und möglicherweise sogar mit guten Gründen dagegen sind. Wie soll man da anständig (d.h. effizient) regieren? Die ›Kunst des Reformierens‹, so der Titel der Strategieschrift der Stiftung, besteht nun darin, vorbei an Betroffenen und Sachkundigen, die politische Agenda zu bestimmen und Entscheidungen herbeizuführen, die dem Volkswillen durchaus widersprechen. So offenbart die Bertelsmannstiftung, mit welchen Instrumenten in vielen Politikfeldern (Hartz IV, EU-Verfassung, PISA- und Bologna) von nicht legitimierten Akteuren Fakten geschaffen wurden, während auf den politischen Bühnen folgenlos demokratische Folklore zur Aufführung gebracht wurde.

Da die Bürger inzwischen für das Aussetzen der Demokratie hellhörig geworden sind (Vgl. Occupy usf.), hat die Bertelsmannstiftung schon das nächste Placebo zur Hand: ›Organisierte Dialoge als Strategie.‹ (Einfach mal im Netz googlen!). Da sich ›die Menschen‹ zunehmend als Spielbälle von Sachzwangentscheidungen missbraucht fühlen, sollen sie hierdurch eine kleine Partizipationsillusion erhalten, ohne jedoch eine wirkliche Gestaltungsmacht in Hinblick auf das Ganze der res publica: Die Kommunen wirtschaften einsam durch cross-border-leasing oder abenteuerliche Spekulationen ab, aber die Bürger dürfen dann in Plebisziten entscheiden, ob aufgrund der klammen Kassen lieber das Schwimmbad oder die Bibliothek geschlossen werden sollen. Bertelsmanns organisierte Dialoge sind outcome-orientiert gesteuert. Die vermeintlichen Spielräume werden von einem Verfahrensgestalter/Moderator geschickt gemanaged, so dass es sich bei der Veranstaltung eher um die stillschweigende Konversion möglicher Gegenspieler zu unfreiwilligen Mitläufern handelt, als um einen wirklichen demokratischen Prozess, in dem sich die fluktuierende Macht des Volkes tatsächlich bahnbrechen könnte.  Die zum Einsatz kommende ›Demokratiepolitik‹ macht funktional Gebrauch von demokratieähnlichen Kommunikationsformen zur undemokratischen Durchsetzung von Zielen, die nicht zur Disposition gestellt werden.

Liebesgrüße aus Gütersloh – Zurück an den Absender!

Dr. M. Burchardt beim Kölner Symposion „Demokratie setzt aus“ im November 2011

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