Veröffentlicht am 06.10.13
Empirische Gewissheit gibt es nicht
Lernprozesse zu vermessen, ist völlig aussichtslos. Doch es spricht auch wenig dafür, dasssich Lernergebnisse genau beziffern lassen.
Von Wolfram Meyerhöfer, in: F.A.Z., Freitag, den 27.09.2013, S. 7
Anfang Oktober werden Bildungsforscher den Kultusministern erklären, warum es weniger wichtig ist, sich mit dem Lernen zu beschäftigen, als Geld in die Vermessung der Ergebnisse des Lernens zu stecken. Zum Jahreskolloquium des DFG-Schwerpunktprogramms „Kompetenzmodelle zur Erfassung individueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung von Bildungsprozessen“ werden die Bildungsentscheider nach Frankfurt am Main geladen. Die Bildungspolitik soll auf diese Weise dazu gebracht werden, noch mehr Geld aus der Verbesserung von Schule abzuziehen und stattdessen in das Testen von Schülern zu stecken. Kompetenzmodelle sind in der Empirischen Bildungsforschung immer Kompetenzstufenmodelle. Das liegt daran, dass das Ziel dieser Disziplin nicht ist, das Lernen zu verstehen und zu verbessern. Man müsste sich dann mit Lernen und Vergessen beschäftigen, mit Interesse und Langweile, mit Nutzen und Nutzlosigkeit, mit der Motivation und der Demotivation durch Schulnoten. Die Empirische Bildungsforschung will das Gelernte vermessen.
Der Geist der Kinder soll also auf einer Zahlenskala abgebildet werden. Man möchte sagen können: Du, Kind A, hast 503 Punkte und bist somit ein schlechterer Mathematikschüler als Kind B mit 506 Punkten. Die Menschenmesser folgen also dem Bild, dass das Menschliche auf Skalen gepresst werden muss und dass dies gesellschaftlich wertvoll ist, so dass Kultusministerien dafür Millionen ausgeben. Sie folgen aber offenbar auch einer gewissen Lust am Wahn, denn nur in solchen Momenten wird man ernsthaft glauben können, dass man Kindern Schulnoten mit der Genauigkeit einer Hundertstel Stelle nach dem Komma zuweisen kann – nichts anderes ist die Behauptung, dass 503 Punkte etwas anderes seien als 506 Punkte.
Der ganze Beitrag als PDF: Meyerhhöfer: Empirische Gewissheit gibt es nicht
Tags: Bildungsstandards > Kompetenzorientierung > Kompetenzstufenmodell > PISA
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