Veröffentlicht am 03.10.21

Erlöst die Kinder von unnötigen Therapien!

Ein Beitrag von Prof. Dr. Carl Bossard

 

Sie sei in den vergangenen Jahren richtiggehend explodiert, die Abklärungsmaschinerie für Schulkinder. Darum durchlebten wir eine Zeit der „Überdiagnosen“. Doch ein Mehr sei eben nicht zwingend besser. Im Gegenteil! So tönt das schonungslose Fazit von Thomas Baumann, Kinderarzt und Fachbuchautor, bei seinem Referat in St. Gallen zum Sinn der Diagnosen beim Kind. Eingeladen hatten die Ostschweizer Kinderärzte.[i]

 

Mehr „kranke“ als gesunde Kinder

Mehr als die Hälfte der Schweizer Schulkinder wird irgendwie therapiert – das Ziel: Schulprobleme lösen und den Unterricht bestehen. Sie erhalten sonderpädagogische und/oder unterrichtsergänzende Massnahmen zugeteilt, seien dies psychomotorische, logopädische oder heilpädagogische Hilfen. Dazu kommen medizinisch verordnete Therapien wie Psycho- und Ergotherapie.[i] Das bereitet dem Pädiater Thomas Baumann Sorge.

Der Experte kennt klare Worte: Unsere Gesellschaft verleite dazu und verlange es: Kinder müssten schon früh ganz bestimmten Vorstellungen entsprechen. Zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer, viele Eltern und auch Ärzte hätten immer konzisere Vorstellungen davon, wie sich ein Kind in einem bestimmten Alter verhalten müsse. „Kinder, die nicht in dieses Schema passen, werden abgeklärt und therapiert.“ Abweichungen vom Durchschnitt würden vielfach als Entwicklungsstörung betrachtet. So sei ein eigentlicher “Therapiewahn“ entstanden – und ein lukrativer Therapiemarkt, analysiert Baumann.[ii] Die Folge: In unserem Schulsystem hätten wir mittlerweile mehr „kranke“ als gesunde Kinder.

 

Hier finden Sie den vollständigen Beitrag als PDF zum Weiterlesen: Bossard_Erlöst die Kinder von unnötigen Therapien

 

[i] Romedius Alber, Der Pädiatrie laufen die Schulkinder und Jugendlichen davon – holt sie zurück! In: PAEDIATRICA Vol. 30-5/2019, S. 18.

[ii] Thomas Baumann, Romedius Alber (2011): Schulschwierigkeiten: Störungsgerechte Abklärung in der pädiatrischen Praxis. Bern: Verlag Hans Huber.