Veröffentlicht am 12.12.13

Vom Bruttobildungsprodukt

Was Minister und Lehrer aus Pisa-Studien lernen könnten, werden sie von derlei Studien allein nie erfahren. Dazu sind solche Erhebungen nicht geeignet. Frank-Olaf Radtke in der FAZ (Bldungswelten, S. 7) vom 06.12.2013

Die mit dem Markennamen Pisa beworbene Schulreform hat durchschlagende Wirkung. Unter der Anleitung der OECD ist nach dem Vorbild der Wirtschaft für Zwecke der Steuerung eine Art bildungspolitischer Gesamtrechnung eingeführt worden. Die Ergebnisse der Kompetenzmessungen werden der Öffentlichkeit wiederkehrend als das nationale Bruttoinlandsprodukt des Bildungssystems präsentiert. Den Kultusministern bieten die Pisa-Leistungsbilanzen regelmäßig Gelegenheit, „vorrangige Handlungsfelder“ auszurufen. Nun aber kommen Zweifel auf, ob aus den Kennziffern irgendein Nutzen zu ziehen ist. Denn auch nach bald 15 Jahren der Neuen Steuerung ist eine Steigerung der Systemleistungen nicht zu bilanzieren. Dringlich stellt sich den Enttäuschten die Frage, ob Indikatoren für Schülerleistungen tatsächlich die Bildungsverwaltung oder besser noch die Praxis orientieren können.

Die Schwierigkeit, Erfolge auf Systemebene nachzuweisen, ist indes methodologisch bedingt. Sie resultiert aus dem Design der internationalen Vergleichsstudien. Selbst wenn sich die Leistungen der Schüler in den vermessenen Wissensdomänen verändert, selbst wenn sich die Quoten der Schulversager oder das Bildungsverhalten der Migrantenkinder merklich verschoben hätten – was freilich nicht der Fall ist –, positive wie negative Veränderungen lassen sich in Trendstudien, die jedes Mal andere Schüler testen, nicht interpretieren.Hochaggregierte Daten in einem unechten Längsschnitt sagen nichts über tatsächliche Entwicklungen und nichts über ihre Auslöser. Wo, wie in sozialen Kontexten, Ursache und Wirkung kommunikativ verknüpft sind, lassen Effekte sich nicht kausal-linear auf bestimmte Ursachen zurechnen, nicht auf einzelne Strukturvariablen, schon gar nicht auf punktuelle politische oder pädagogische Eingriffe.

Der ganze Beitrag als PDF: F.O. Radtke:_Vom Bruttobildungsprodukt