Veröffentlicht am 08.03.19

Schulen und Unis werden zu Zertifizierungsdiscountern

Über das sinkende Niveau im Bildungssystem, den Vermessungswahn seit PISA und Gleichmacherei um jeden Preis.

Interview von Ralf Wurzbacher mit Hans Peter Klein., in Junge Welt, Ausgabe vom 02.03.2019, Seite 1 (Beilage) / Wochenendbeilage
Lernen

RW: Je mehr Eicheln in den Laubwäldern Nordamerikas an den Bäumen wachsen, desto größer gerät die Population an Streifenhörnchen, wodurch wiederum mehr Zecken auftreten, denen die Nager als Wirt dienen. Diese skizzierte Korrelation war 2009 Gegenstand der Abiturprüfung im Leistungskurs Biologie in Nordrhein-Westfalen. Sie haben die Aufgabe Neuntklässlern vorgelegt. Mit welchem Ergebnis?

HPK: Wie vermutet, waren fast alle Neuntklässler in der Lage, die Zentralabiturarbeit ohne größere Probleme zu bearbeiten, teilweise mit guten Noten. Die Erklärung dafür ist einfach: In dem ausführlichen Begleitmaterial waren nahezu alle geforderten Lösungen zu finden. Derartige Aufgabenstellungen verlangen vom Schüler insbesondere Lesekompetenz, während das früher einmal selbständig nachzuweisende Fachwissen deutlich in den Hintergrund gedrängt wird oder in einigen Bundesländern nicht einmal mehr abgefragt werden darf. Mittlerweile haben nahezu alle Bundesländer auf diese Aufgabenformate umgestellt.

RW: Was schließen Sie daraus ?

HPK: Seit der Jahrtausendwende hat sich eine Abwärtsspirale in der Nivellierung der Ansprüche entwickelt, bei der sich die Bundesländer gegenseitig über- bzw. unterbieten.

Das Interview: Schulen und Unis werden zu Zertifizierungsdiscountern