Veröffentlicht am 19.06.14

Stichwort Abschlussarbeit

Von der tendenziellen Abschaffung des akademischen Gesellenstücks.

Von der abnehmenden Bedeutung der wissenschaftlichen Abschlussarbeiten.

Die Abschlussarbeit ist ein Gesellenstück, mit dem Studierende zeigen können, was sie gelernt haben ‒ die selbstständige Entwicklung einer Fragestellung, das häufig mühsame Erschließen der Empirie und die Formulierung einer These, die man gegen kritische Anfragen von Lehrenden und Kommilitonen verteidigen muss. Bei den Abschlussarbeiten, die von den Lehrenden – jedenfalls der Idee nach ‒ intensiv betreut und beurteilt werden, versagen dann nicht selten die studentischen Interaktionskünstler, die in den Seminaren aufgrund ihrer Kompetenzdarstellungskompetenzen überzeugen konnten. Und manchmal gibt es für Lehrende wahre Überraschungen, wenn Studierende, die in den Seminaren eher unscheinbar waren, plötzlich mit publikationsreifen Überlegungen glänzen.

Die Erosion einer bewährten Prüfungsform

Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge im Rahmen der Bologna-Reform hat weitgehend ungewollt zur fast vollständigen Entwertung dieser Prüfungsform geführt. Die Grundidee der Bologna-Reform war nicht schlecht: Statt einer heftigen Prüfungsorgie am Ende des Studiums sollte studienbegleitend geprüft werden. Statt einer Reihe mündlicher und schriftlicher Prüfungen am Ende des Studiums sollte während des Studiums bereits jedes Modul durch eine Klausur, eine Hausarbeit oder ein mündliches Examen abgeprüft werden, und die dafür vergebende Note sollte in die Endnote eingehen.

Im Prozess des studienbegleitenden Prüfens sind nun aber auch die ehemals an den Universitäten, aber auch an einigen Fachhochschulen so wichtigen Abschlussarbeiten weitgehend entwertet worden. An einigen Universitäten haben die Abschlussarbeiten inzwischen für die Endnote die gleiche Bedeutung wie eine Statistikklausur im ersten Semester des Studiums. An einigen Fachhochschulen ist für die Endnote ein Praktikumsbericht wichtiger als die Bachelor- oder Masterarbeit.

Solche Herabstufungen der Bedeutung der Abschlussarbeit auf die eines ganz normalen Moduls sind sicherlich Extremfälle. Aber es gibt seit der Umsetzung der Bologna-Reform kaum noch Studiengänge, in der die Abschlussarbeit als akademisches Gesellenstück zu einem Drittel oder zur Hälfte in die Endnote eingeht und damit fast automatisch eine hohe Aufmerksamkeit der Studierenden erhält.

Der ganze Beitrag als PDF: Kühl_Stichwort_Abschlussarbeit