Veröffentlicht am 08.03.16

Im Schatten der Flüchtlingskrise

Der umstrittene Bildungsplan 2016 soll in Baden-Württemberg einen Tag vor der Landtagswahl in Kraft treten

Manchmal bieten Krisen enorme Möglichkeiten, politisch äußerst umstrittene Positionen klamm und heimlich durchzusetzen, da der Focus der Öffentlichkeit sich eben auf die Bearbeitung der Krise richtet und Nebenschauplätze dadurch im Verborgenen bleiben. Gab es noch im letzten Jahr gegen die geplante Einführung der neuen Bildungspläne durch die rot-grüne Landesregierung in Baden Württemberg heftige Proteste und sogar Großdemonstrationen in der Bevölkerung, ist es seit der Eskalation der Flüchtlingskrise in den letzten Monaten zunehmend ruhig geworden. Man hatte den Eindruck, dass der Bildungsplan 2016 erst einmal auf Eis gelegt wurde, da der Focus der Politik sich seit einem halben Jahr nahezu ausschließlich auf die Bewältigung der andauernden Flüchtlingskrise zu richten scheint.

Fakten schaffen

Diese Einschätzung der Lage entpuppt sich in Baden-Württemberg aber schnell als Fehlinterpretation, denn es häufen sich die Anzeichen, dass die Baden-Württembergische Landesregierung im Schatten der Flüchtlingskrise die einmalige Chance nicht verstreichen lassen will, ihre umstrittenen bildungspolitischen Vorstellungen fernab von öffentlichen Protesten und unliebsamen Presseberichten möglichst noch vor der Wahl zu implementieren. Zu früh vor der bevorstehenden Landtagswahl könnte dieser Überraschungsangriff Stimmen kosten. Der ideale Zeitpunkt wäre genau ein Tag vor der Wahl. Nicht gewünschte Korrekturvorschläge kämen nicht mehr zum Zuge und der politische Gegner könnte nicht einmal mehr wahlkampftaktisch reagieren. Sollte er obendrein die nächste Regierung stellen, hätte man ihm einen äußerst schweren Klotz ans Bein gebunden. Wenn man den Auguren nun glauben darf, wird es genauso kommen.

Nun ist eine solche Vorgehensweise keinesfalls verboten, denn der Bildungsplan ist ein interner Verwaltungsvorgang des Kultusministeriums. Es ist daher keine Befassung beziehungsweise Abstimmung im Landtag oder im Ministerrat notwendig. Der Ablaufplan dürfte dementsprechend wie folgt aussehen: Bis zum 19.2. hat das Kultusministerium vom Landesinstitut für Schulentwicklung bereits den mit eingearbeiteten Rückmeldungen aus der Anhörung überarbeiteten Bildungsplan erhalten. Bis spätestens zum 12.3. erfolgt eine letztmalige Prüfung des Bildungsplans im Kultusministerium und dieser erhält dann ein Tag vor der Landtagswahl die Freigabe. Das weitere Vorgehen steht auch schon fest: Online Veröffentlichung der Endversion bis Anfang/Mitte und Versand an die mehr als 4100 allgemein bildenden Schulen. Als Schmankerl erhalten die mehr als 117.000 Lehrerinnen und Lehrer ihr persönliches Exemplar des Bildungsplans auf einem USB-Stick. Am 6. April erfolgt die Präsentation der Bildungspläne auf einem Bildungskongress. Man ist sich anscheinend des Erfolges bei der Landtagswahl mehr als sicher, will aber auf jeden Fall Fakten schaffen. Dass man sich mit derartigen Aktionen die Öffentlichkeit vergrault, wird billigend in Kauf genommen, denn deren Gedächtnis ist nicht von langer Dauer und man kann sicher sein, dass derartige Vorgänge bei der nächsten Wahl unter dem Deckmantel der Vergesslichkeit keinerlei negativen Einfluss mehr haben werde.

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Der vollständige Beitrag als PDF: Im Schatten der Flüchtlingskrise ­ Die umstrittene Bildungsplanreform in Baden-Württemberg