Veröffentlicht am 18.07.17

Studie: Machtkonzentration statt Qualitätswettbewerb

Eine wettbewerbsökonomische Analyse des neuen Studienakkreditierungsstaatsvertrags

Prof. Dr. Silja Graupe, Cusanus Hochschule, Bernkastel-Kues

Hintergrund

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat in seinem Urteil vom 17.02.2016 zur Frage der Akkreditierung von Studiengängen geurteilt, dass Entscheidungen über die zum Schutze der Berufsfreiheit notwendigen Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit vom Staat nicht anderen überlassen werden dürfen. „Wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung von Studiengängen darf der Gesetzgeber jedoch nicht anderen Akteuren überlassen.“ Bisher hatte insbesondere Nordrhein-Westfalen die staatlichen Genehmigungen von Studiengängen automatisch an die Akkreditierungsentscheidungen (privater) Akkreditierungsagenturen gekoppelt. Das BVG stuft dies als verfassungswidrig ein. Zur Neuregelung der Akkreditierung haben die Länder den Studienakkreditierungsstaatsvertrag auf den Weg gebracht. Dieser aber löst nicht die vom BVG
aufgezeigte Unhaltbarkeit eines der Wissenschaftsfreiheit widersprechenden Akkreditierungswesens, sondern verschärft diese in eklatanter Weise ebenso, wie er nun auch noch die Idee des freien Wettbewerbs der Qualitätssicherung und -entwicklung außer Kraft setzt.

Die Neuregelungen auf einen Blick

Der Akkreditierungsrat (AR)

  • lässt weiterhin die Akkreditierungsagenturen zu (Funktion einer Zulassungsbehörde),
  • soll weiterhin für einen fairen und geregelten Wettbewerb sorgen (Funktion des „Wettbewerbshüters“),
  • soll darüber hinaus nun statt der Akkreditierungsagenturen letztinstanzlich sämtliche Akkreditierungsentscheidungen für alle Studiengänge in Deutschland treffen (Funktion eines „Entscheidungsmonopolisten“, der an die vormalig wettbewerbliche Qualitätssicherung im Zusammenspiel vieler Akteure tritt),
  • soll zudem nun maßgeblich Strukturverantwortung von den Ländern übertragen bekommen: An seine Akkreditierungsentscheidungen soll automatisch die staatliche Genehmigung aller Studiengänge in allen Bundesländern entkoppelt werden (Übernahme hoheitlicher Aufgaben),
  • soll in seinen Entscheidungen weder vom Staat noch von den Hochschulen oder den Agenturen auf anderem Wege als dem Klagewege anfechtbar sein (Entkopplung von wissenschaftlichen und demokratischen Kontroll- und Legitimierungsprozessen).

Kritik

  • Insgesamt findet keine Abwägung von Wissenschaftsfreiheit, Berufsfreiheit und Qualitätssicherung statt. Diese aber ist seitens des BVG dringend angemahnt worden.
  • Die bisherige wettbewerbliche Organisation des Akkreditierungswesens wird nicht nur entscheidend gestört, sondern aufgehoben. Denn der AR avanciert sowohl zum entscheidenden „Spieler“ im Akkreditierungsprozess („Entscheidungsmonopolist“) als auch zu dessen „Schiedsrichter“ („Zulassungsbehörde der Agenturen“ und „Genehmigungsstelle der Studiengänge“).
  • Diese Kompetenzanhäufung ist unzulässig, innovationshemmend und wettbewerbsschädigend.
  • Es vermischen sich Struktur- und Prozessverantwortung auf eine Weise, die allen wettbewerbsrechtlichen und -ökonomischen Erkenntnissen eines freien und fairen Wettbewerbs widerspricht und jene Trennung aufhebt, auf der bislang die gesamte Qualität der Qualitätssicherungsverfahren im deutschen Hochschulsystem ruhte.
  • Um die neue Entscheidungs- und Machtfülle auch nur ansatzweise gerecht werden zu können, wird es, umgangssprachlich formuliert, den Aufbau eines „bürokratischen Monsters“ brauchen. Erfolgte dieser Aufbau hingegen nicht, drohen im AR stattdessen Willkür und Ineffizienz.
  • Die Bestellung der professoralen Mitglieder im AR soll weiterhin, obwohl durch das BVG eindeutig als verfassungswidrig eingestuft, durch die Ständige Konferenz der Kultusminister erfolgen. Spätestens hier wird die verfassungsrechtlich geschützte Wissenschaftsfreiheit mit Füßen getreten.

Die ganze Studie als PDF: Studienakkreditierungsstaatsvertrag: Studie Graupe

Siehe auch: Der Studienakkreditierungsstaatsvertrag – eine Stellungnahme von Prof. Dr. Silja Graupe, Cusanus Hochschule; Prof. Dr. Jochen Krautz, Universität Wuppertal; Prof. Dr. Harald Schwaetzer, Cusanus Hochschule