Veröffentlicht am 28.03.17

Schwarze Pädagogik 4.0

Das Fach Kunst im Sog von Kompetenzorientierung und Digitalisierung

Gastbeitrag von Pierangelo Maset, in: BDK-Mitteilingen 1-2017, S. 24-27

Die Institution, an der ich tätig bin, veranstaltet jährlich einen akademischen Tag, in dessen Verlauf einige Preise verliehen werden. In Kategorie „Lehrveranstaltungen“ gab es 2016 Lehrpreise z. B. für die „Förderung des Verständnisses und der Transferleistung durch ein Classroom Response System und ein begleitendes E-Assessment in der Technischen Mechanik“ sowie für das „Classroom Response System zur Lernstandserhebung“.

Die Titel dieser Lehrveranstaltungen spiegeln die gegenwärtige Digitalisierung von Bildung wider. Der digitale und der pädagogische Mainstream sind eine Verbindung eingegangen, deren Auswirkungen und Konsequenzen jeder, der in Schulen oder Hochschulen arbeitet, zu spüren bekommt. Die Programmierung von Unterricht und behavioristische Modelle feiern heute als ausdauernde Zombies pädagogisch-psychologischen Systemdenkens ihre Wiederbelebung und stoßen dabei viel zu selten auf Widerspruch. Dieser ist schwierig geworden in Zeiten selbstreferenzieller Feedbackschleifen und automatisierter Konsensbildungen, die von den Ministerialbürokratien über die Schul- und Hochschulleitungen bis zu den diensteifrigen Lehrenden und allzeit vernetzten Lernenden statt­finden.

Meine These lautet, dass heute längst eine neue „Schwarze Pädagogik“ am Werk ist, die vor allem mit den Begriffen ‚Kompetenz‘, ‚Controlling‘, ‚Digitalisierung‘ und ‚Kybernetik‘ umrissen werden könnte. Katharina Rutschky versammelte in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts in ihrer „Schwarze Pädagogik“ betitelten Textsammlung (Rutschky 1977) eine Reihe von Absonderlichkeiten der pädagogischen Theoriebildung – von den „Tödlichen Folgen des Ungehorsams“ über „Die Kindheit als Krankheit“ bis zur „Verhinderung der Onanie während der Schulstunden“. Würde man aktuelle Publikationen für ein ähnliches Projekt untersuchen, stieße man sicherlich auf weniger witzige, doch vermutlich auf ebenso erschreckende Texte, denn ein großer Teil der heutigen pädagogischen bzw. erziehungswissenschaftlichen Literatur ertrinkt nahezu in technokratischen Sprachformeln, die sich längst den neuen Programmier- und Steuerungsmöglichkeiten verschrieben haben. Rutschky eröffnete ihr Buch mit dem Satz: „Die schwarze Pädagogik ist der tendenziöse Versuch, die Folgen und Begleiterscheinungen der Aufmerksamkeit zu dokumentieren, der Heranwachsende seit dem 18. Jahrhundert ausgesetzt sind“ (a.a.O., S.  XV). Als Eingangszitat wählte sie eine berühmte Passage aus der „Dialektik der Aufklärung“: „Nicht das Gute, sondern das Schlechte ist der Gegenstand der Theorie. […] Ihr Element ist die Freiheit, ihr Thema die Unterdrückung.“ (Adorno/Horkheimer 1971, S. 195).

Der ganze Beitrag als PDF: P. Maset: Schwarze Pädagogik 4.0