Veröffentlicht am 14.04.15

Die Erhöhung der Abiturientenrate als kognitive Form der alchemistischen Goldherstellung

Ein Beitrag von Hans Peter Klein, Thomas Jahnke, Wolfgang Kühnel, Thomas Sonar und Markus Spindler.

Sind Hamburgs Abiturienten mathematisch und naturwissenschaftlich klüger geworden? Nach welchen Maßstäben übertrifft das achtjährige Gymnasium das neunjährige? Eine Widerlegung der Aussagen der KESS-Studie 12.

Ende des Jahres 2012 wurde in Hamburg eine vielbeachtete Studie der erstaunten Öffentlichkeit vorgestellt, in der die Kompetenzen und Einstellungen der Hamburger Schülerinnen und Schüler überprüft wurden (KESS 12 = 12-jähriger Abiturjahrgang). Die zentralen Aussagen dieser behördenintern durchgeführten Studie fanden deutschlandweite Beachtung: Die Leistungen der Hamburger Abiturienten des ersten G8-Jahrgangs von 2011 seien nicht nur in Englisch, sondern auch in Mathematik und den Naturwissenschaften mindestens so gut und teilweise sogar besser als die der Abiturienten von 2005 nach neunjähriger Schulzeit (G9).

Gleichzeitig konnte die Abiturientenzahl deutlich erhöht werden (plus 33 Prozent). Nach dem Bildungssenator räumte die Studie gleich mit zwei Vorurteilen auf. Eine Vergabe höherer Abschlüsse für mehr Schülerinnen und Schüler müsse keineswegs zu einer Absenkung des Leistungsniveaus führen. Hohe Abiturientenquoten seien kein Beweis für ein niedriges Abiturniveau. Zusätzlich zeige die Studie, dass die aufkommende Kritik an der Verkürzung der Schulzeit auf acht Jahre unberechtigt sei. Ganz im Gegenteil habe die Einführung von G8 keinesfalls geschadet, sie sei vielmehr der Garant dieses Erfolges. In der Berichterstattung wurde dieses Ergebnis als Sieg der Verkürzung der Schulzeit von G9 auf G8 gewertet: »Turbo-Abiturienten lernen besser« konnte man nahezu einheitlich der teilweise sicherlich auch erstaunten Presse entnehmen.

Die geheimnisvollen TIMSS-Testinstrumente

Diese Ergebnisse überraschten vor allem diejenigen, die hinter einer Steigerung der Quantität die Absenkung der Qualität vermuteten, denn beide verhalten sich in der Regel umgekehrt proportional zueinander. Insofern stachelten diese doch überraschenden Aussagen dazu an, die verwendeten Testinstrumente in KESS 12 in der Mathematik und den Naturwissenschaften einmal näher zu untersuchen. Dies stellte nun in der Tat eine nahezu unüberwindbare Schwierigkeit dar, da viele dieser über einen langen Zeitraum laufenden Studien, wie beispielsweise auch TIMSS und PISA, die ihnen zugrunde liegenden Testinstrumente selbst für wissenschaftliche Zwecke nicht offen legen. Dies verwundert umso mehr, da aufgrund der Ergebnisse dieser Studien weitreichende bildungspolitische Weichenstellungen vorgenommen werden. Nun gelang es nach vielen Anfragen von wissenschaftlicher und politischer Seite aus an die Hamburger Behörde, die in KESS 12 verwendeten Aufgabenformate zumindest einer wissenschaftlichen Institution in weiten Teilen zu benennen. Überraschenderweise wurden nun dort keine Zentralabituraufgaben von 2005 und 2011 miteinander verglichen, wie man eigentlich hätte erwarten können oder müssen, sondern es wurden TIMSS/III-Aufgaben aus den TIMS-Studien der neunziger Jahre verwendet. Diese Studien sind mittlerweile abgeschlossen und die Testinstrumente im Nachhinein einzusehen. Interessanterweise wurden die dort verwendeten Testitems niemals zum Nachweis der Überprüfung von Abiturleistungen eingesetzt. Sie entstanden seinerzeit unter USamerikanischer Leitung und sollten dazu dienen, die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse von Schülern in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen curricularen Vorgaben zu erfassen.

Der ganze Beitrag als PDF: HP Klein et al_Abiturientenrate