Veröffentlicht am 18.07.17

Der Studienakkreditierungsstaatsvertrag – eine Stellungnahme

Von der Inszenierung eines Scheinwettbewerbs zur undemokratischen Macht- und Kompetenzkonzentration in der deutschen Bildungslandschaft

Stellungnahme von Prof. Dr. Silja Graupe, Cusanus Hochschule; Prof. Dr. Jochen Krautz, Universität Wuppertal; Prof. Dr. Harald Schwaetzer, Cusanus Hochschule

Zusammenfassung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerG) hat in seinem Urteil vom 17.02.2016 zur Frage der Akkreditierung von Studiengängen geurteilt, dass Entscheidungen über die zum Schutze der Berufsfreiheit notwendigen Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit vom Staat nicht einfach an private Akteure (namentlich die Agenturen) im Rahmen der Akkreditierung von Studiengängen ausgelagert werden dürfen, sondern selbst einer expliziten gesetzlichen Grundlage bedürfen. Zur Neuregelung der Akkreditierung haben die Länder den Studienakkreditierungsstaatsvertrag auf den Weg gebracht. Dieser aber verspricht noch gravierendere Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit vorzunehmen und zugleich die gesamte bisherige Architektur des bisherigen Akkreditierungswesens in Deutschland zu zerstören.

Der Akkreditierungsrat wird laut Staatsvertrag zukünftig:

a) alle Akkreditierungsentscheidungen über in Deutschland anzubietende Studiengänge allein fällen und damit an maßgeblicher Stelle den Prozess der Qualitätssicherung und -entwicklung wie ein Monopolist dominieren, während die Akkreditierungsagenturen zu bloßen Zulieferern werden;

b) an die Stelle der staatlichen Genehmigungsinstanzen im Hinblick auf die Einführung bzw. Fortführung aller deutschen Studiengänge treten und damit auf dominante Weise auch die Struktur des Akkreditierungswesens bestimmen;

c) weiterhin alle Entscheidungen über die Zulassung aller Akkreditierungsagenturen treffen und so bestimmen, wer ihm überhaupt im Hinblick auf die Qualitätssicherung und -entwicklung von Studiengängen wird zuarbeiten dürfen;

d) weiterhin die Rolle des „Wettbewerbshüters“ einnehmen, obwohl er diese aufgrund seiner dominanten Stellung in Prozess- und Strukturgestaltung des Akkreditierungswesens nicht unabhängig und fair wird ausüben können.

Kritik:

  • Durch den Studienakkreditierungsstaatsvertrag verschränken sich ehemals private und staatliche Steuerungselemente auf unheilvolle und zugleich schwer durchschaubare Weise – und dies jenseits von Markt und Staat: Die vom Akkreditierungsrat monopolisierten Akkreditierungsentscheidungen setzen den freien Wettbewerb um Qualitätssicherung und –entwicklung außer Kraft, während zugleich die Länder geben ihre Souveränität in Fragen der Genehmigung von Studiengängen ebenfalls an den gleichen Rat übertragen.
  • Seit über einem Jahrzehnt wird die Hochschulbildung für den Markt „aktiviert“: Dies bedeutet insbesondere die Einführung wettbewerbsorientierter Steuerungselemente in den bis dahin marktfernen Bereiche der Lehre bzw. deren wirkungsvolle Inszenierung. Nun findet darüber hinaus im entstandenen, nahezu unentwirrbaren Dickicht marktwirtschaftlicher und staatlicher Steuerungsformen eine Entscheidungs- und Machtkonzentration an einer einzigen Stelle statt: dem Akkreditierungsrat
  • Dieser Rat wird selbst kaum kontrolliert werden; zudem sind seine Entscheidungen intransparent und allenfalls noch über den juristischen Klageweg anfechtbar.
  • Die Zusammensetzung und Bestellung seiner Mitglieder widerspricht mit großer Wahrscheinlichkeit verfassungsrechtlichen Vorgaben, weil sie der Freiheit der Lehre nicht gerecht werden.

Die gesamte Stellungnahme als PDF: Studienakkreditierungsstaatsvertrag: Stellungnahme Graupe, Krautz, Schwaetzer

Siehe auch: Machtkonzentration statt Qualitätswettbewerb (Studie von S. Graupe)