Veröffentlicht am 30.09.16

Die „Neue Lernkultur“: An Schulen herrscht ein problematisches Menschenbild

Die „Neue Lernkultur“ erobert Deutschlands Klassenzimmer. Das Konzept, das nach Reformpädagogik und Selbstverwirklichung klingt, weckt übertriebene Hoffnungen. Skepsis sei angebracht, sagt der Pädagoge Karl-Heinz Dammer im Interview mit Axel Göhring von der Wirtschaftswoche.

Wirtschaftswoche: „Politik ist ja meist – oder sogar immer – interessengeleitet. Welche bildungspolitischen Ziele, abseits von den offiziellen, vermuten Sie hinter der Neuen Lernkultur?“

Karl-Heinz Dammer: Alle Menschen waren den Zwängen der Schule ausgesetzt und haben diese als mehr oder minder belastend empfunden, weswegen eine Pädagogik, die vorgibt „nun endlich“ den einzelnen Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen, leicht auf Beifall stößt. Dieser Humanismus ist aber nur vordergründig. In der Neuen Lernkultur ist meist von „selbstgesteuertem“ Lernen die Rede, was leicht mit aufklärerischen Vorstellungen von Mündigkeit und Autonomie verwechselt werden kann, aber nichts damit zu tun hat. Im Gegenteil: „Selbststeuerung“ ist ein Begriff aus der Kybernetik, bezieht sich also ursprünglich auf technische Systeme, die mit einer entsprechenden Programmierung und bestimmten Zielvorgaben technische Prozesse ohne weiteres menschliches Zutun abwickeln können.

Wirtschaftswoche: Der „kybernetische Mensch“?

Karl-Heinz Dammer: Mit diesem Begriff wird der Lerner implizit zu einem technischen System und das Lernen zu einem technischen Vorgang erklärt, der sich auf der Basis von Vorgaben präzise selbst steuert. Das verkennt nicht nur die Komplexität von Lernprozessen. Darin zeigt sich auch ein problematisches Menschenbild. „Selbstgesteuert“ als technische Metapher bedeutet, dass die Schüler sich aus eigenem Antrieb Fremdbestimmung unterwerfen und damit auch verantwortlich fühlen sollen für eine erfolgreiche Umsetzung der Erwartungen.

Das ganze Interview auf der Website der Wirtschaftswoche:
An Schulen herrscht ein problematisches Menschenbild